Wiesloch. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat am Montag neue Details zum tödlichen Messerangriff in Wiesloch am Freitag bekanntgegeben. Demnach hat das Amtsgericht Heidelberg am Samstag einen Unterbringungsbefehl wegen Mordes erlassen. Wie bereits berichtet, ist der 33-jährige Mann seit Samstag wieder in der Forensik des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden (PZN) in Wiesloch untergebracht. Vor dem Haftrichter des Amtsgerichts machte der Mann keine Angaben zur Tat.
Messerangriff in Wiesloch: Staatsanwaltschaft gibt Details der Tat bekannt
Laut Staatsanwaltschaft ist der Beschuldigte dringend verdächtig, aufgrund einer wahnhaften Störung im Zustand der Schuldunfähigkeit heimtückisch einen Menschen getötet zu haben. Die bisherigen Ermittlungen der Kripo Heidelberg hätten ergeben, dass der Mann nach seiner Flucht zu Fuß vom PZN in die Wieslocher Innenstadt in ein Geschäft im Kaufhaus „Kubus am Adenauer“ ging, sich dort ein Küchenmesser aus der Auslage griff und „in unmittelbarem zeitlichen Anschluss die Tat beging“, so die Staatsanwaltschaft.
Täter und Opfer kannten einander nicht. Die Wahl des Opfers sei rein willkürlich gewesen. Ob es sich bei der 30-jährigen getöteten Frau um eine Mitarbeiterin oder eine Kundin des Geschäfts handelte, wollte die Staatsanwaltschaft Heidelberg zum jetzigen Zeitpunkt – auch im Hinblick auf die Hinterbliebenen – nicht sagen.
Das ist zum mutmaßlichen Täter der Messerattacke in Wiesloch bekannt
Die Staatsanwaltschaft gab auch Informationen dazu bekannt, warum der 33-Jährige seit 2021 im PZN untergebracht ist. Der Mann ist Somalier und lebt seit 2014 in Deutschland. Im Juli 2020 beging der Mann demnach insgesamt sieben verschiedene Straftaten:
- eine sexuelle Belästigung
- eine vorsätzliche Körperverletzung
- zwei Fälle der Beleidigung
- drei Fälle des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte
In einem Fall geschah dies in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Deshalb war der mutmaßliche Täter bereits seit Juli 2020 aufgrund eines Unterbringungsbefehls vorläufig im PZN untergebracht.
Der Chefarzt der Forensik am PZN, Christian Oberbauer, hatte beim Pressegespräch am Sonntagnachmittag erläutert, dass es sich bei den Straftaten aus dem Juli 2020 insgesamt nicht um in dieser Form gravierende Straftaten gehandelt habe. Es sei wohl die Summe der Taten gewesen, die das Gericht dazu bewogen hätten, eine Unterbringung anzuordnen.
Mutmaßlicher Täter von Wiesloch soll nach Weinsberg verlegt werden
Das PZN plant nach Angaben des Chefarztes eine baldige Verlegung des 33-Jährigen in eine Klinik nach Weinsberg. Die Mitarbeitenden in Wiesloch seien zu betroffen von dem Geschehen, um ihn weiterbehandeln zu können. Generell ist die Betroffenheit riesig. Er habe weinende Oberärzte auf den Stationen gesehen, berichtete Oberbauer.
Das Psychiatrische Zentrum Nordbaden (PZN)
- Der kaufmännische Direktor des PZN, Vincent Karfus, appelliert an die Bürgerinnen und Bürger, Patienten der Psychiatrie aufgrund des Vorfalls nicht zu stigmatisieren.
- Tatsächlich gibt es im PZN insgesamt fünf Kliniken, die sich mit unterschiedlichen psychischen und psychosomatischen Erkrankungen beschäftigen.
- Abgedeckt werden die Fachgebiete Allgemeine Psychiatrie, Psychosomatik, Alterspsychiatrie, Suchttherapie und forensische Psychiatrie.
- Einzugsbereich sind der Rhein-Neckar-Kreis, der Neckar-Odenwald-Kreis und der nördliche Teil des Kreises Karlsruhe.
- Das PZN ist eines von insgesamt sieben Zentren für Psychiatrie in Baden-Württemberg.
- Es wurde 1905 gegründet.
- Die Forensik unterliegt der behördlichen Aufsicht des Sozialministeriums. bjz
Der 33-Jährige war in einer Gruppe von sechs Patienten, begleitet von zwei Pflegern, von der geschlossenen Rehabilitationsstation zum Gebäude der Arbeitstherapie unterwegs gewesen, „ein Weg von 200 Metern“, beschreibt Oberbauer. Der Mann habe sich durch entsprechendes Verhalten im Rahmen der Therapie den begleiteten Ausgang auf dem Gelände und in der Stadt erarbeitet.
Er habe die fünfte von neun Lockerungsstufen erreicht. Gleichwohl stehen der Chefarzt und sein Team vor einem absoluten Rätsel, was den Mann zur Flucht bewogen haben könnte. „Ich habe keine abschließende Hypothese dazu“, sagte Oberbauer beim Pressegespräch des PZN am Sonntagnachmittag. Es gebe auch keinerlei Hinweise darauf, dass der Tatverdächtige seine Medikamente nicht wie vereinbart genommen haben könnte.
Drei Fluchten im Jahr 2011 aus Psychiatrischem Zentrum Nordbaden
Das Psychiatrische Zentrum unterscheidet zwischen Entweichungen und Ausbrüchen. Bei Ausbrüchen überwinden Patienten bauliche Sicherheitseinrichtungen, bei Entweichungen halten sie sich nicht an Ausgangsregeln. Beim vorliegenden Fall habe es sich um eine Entweichung gehandelt, die strukturiert und sorgfältig nachbesprochen werde.
„Wir werden uns intensivst damit beschäftigen, was falsch gelaufen ist“, so Oberbauer. Ob zwei Pflegekräfte als Begleitung genügen, wird vermutlich auch hinterfragt werden. „Der Betreuungsschlüssel ist von uns selbst aus der Erfahrung definiert“, so Oberbauer.
Zuletzt hatte das PZN im Jahr 2011 wegen Entweichungen und Ausbrüchen für Schlagzeilen gesorgt. Unter anderem war ein Sexualstraftäter seinem Pfleger davongelaufen und hatte auf der Flucht zwei junge Frauen sexuell belästigt. Er kehrte freiwillig auf seine Station zurück. Dem „Taximörder vom Bodensee“ war im selben Jahr eine Flucht aus dem gesicherten Bereich gelungen. Außerdem war ein Mann nur mit Unterhose bekleidet über die Mauer der Geschlossenen geflohen.
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