ÖPNV

Mannheim: Diese Fallstricke sieht Christian Specht beim 49-Euro-Ticket

Sind die Verkehrsverbünde in Gefahr? Als Vorsitzender des Verwaltungsrates des VRN macht sich der Mannheimer Bürgermeister Sorgen um die Planungssicherheit. Vieles sei mit dem geplanten Fahrschein zudem nicht mehr möglich.

Von 
Stephan Alfter
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Durch die Krisen der Welt gerät auch der ÖPNV unter größeren Finanzierungsdruck: Das 49-Euro-Ticket soll zu einer Verkehrswende beitragen. © dpa

Ein ÖPNV-Ticket für 49 Euro pro Monat – gültig im Nahverkehr in der ganzen Republik zwischen Flensburg und Oberammergau. Digital überall per Smartphone vorzeigbar. Bürokratischer Aufwand: gering. Symbolischer Wert: hoch. Klimaschutz? Yeah! Gibt’s nicht? Gibt’s doch! Schon ab 1. April könnte es soweit sein.

So sähe die positive Berichterstattung über das Nachfolge-Modell des 9-Euro-Tickets aus, das ja ursprünglich schon zu Beginn des Jahres 2023 angeboten werden sollte. In der Realität und in der differenzierten Betrachtung fallen Urteile öfter mal anders aus. Ein halbes Jahr vor der geplanten Einführung des Deutschlandtickets formieren sich die Kritiker. Das hat nicht zuletzt die jüngste Konferenz der Landesverkehrsminister gezeigt. Diese sehen das Konzept als an mancher Stelle nicht zu Ende gedacht an. Mannheims Erster Bürgermeister und VRN-Verwaltungsrats-Vorsitzender Christian Specht ist noch etwas heftiger in seiner Rhetorik: Er sprach am Donnerstag anlässlich einer Pressekonferenz des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN) gar von einer Revolution, an deren Ende das Aus von finanziell schwachen Verkehrsverbünden stehen könnte. Die Bundesregierung greife mit dem Vorhaben automatisch in die Tarifautonomie der Verkehrsverbünde ein. Das 49-Euro-Ticket als Existenzbedrohung?

Frage nach Bezahlströmen

Das Problem dabei sei das Handeln und Denken in Schablonen und Einheitsgrößen (englisch: „one size fits all“). Was für den Regionalverkehr in Berlin gilt, gilt noch lange nicht für den Regionalverkehr im Weschnitztal oder im Pfälzerwald. Das war eine Botschaft Spechts. Eine weitere bestand im Aufzählen von Baustellen, die Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) offensichtlich nicht auf dem Zettel hat. Immer deutlicher wird, dass sich viele Pläne aus dem Herbst zum 49 Euro Ticket als überambitioniert und unterfinanziert entpuppen könnten. Specht fragt sich konkret: Wie funktionieren die Bezahlströme? Jemand kauft sich das Deutschlandticket für 49 Euro in Berlin, weil er dort zu Besuch ist, nutzt aber zu 99 Prozent den Regionalverkehr daheim im VRN-Gebiet.

Nach welchen Kriterien und über welche Strukturen kommt das Geld zu dem, der die Leistung vor Ort erbringt? Was geschieht, wenn dadurch Liquiditätsengpässe entstehen? Zum Beispiel bei einem kleinen Busunternehmen, das wenig oder keine Rücklagen mehr hat. Was ist, wenn beispielsweise Konzertveranstalter auf ihren Online-Plattformen Deutschlandtickets verkaufen? Wie kommt das Geld zu den jeweiligen Verkehrsverbünden? Und was ist, wenn ein solcher Veranstalter plötzlich insolvent ist? Eine weitere Baustelle betrifft etwa die Fahrradmitnahme. In den Tarifangeboten des VRN ist sie oft enthalten.

Wer finanziert 1,7 Milliarden Euro?

Das Deutschlandticket gilt aber lediglich für eine Person. Punkt. Kein Fahrrad. Ein anderes Beispiel: Wer hier in der Metropolregion Rhein-Neckar ein Job-Ticket hat, kann am Abend ab 19 Uhr oder am Wochenende beispielsweise vier weitere Personen oder alle seine Kinder kostenfrei mitnehmen, um zu einer Wanderung an den Haardtrand aufzubrechen. Auch das wird beim Deutschlandticket – nach derzeitigem Stand – nicht möglich sein. „Wir versuchen, da eine Zusatznutzung anzuflanschen“, sagt der demnächst aus Altersgründen scheidende VRN-Geschäftsführer Volkhard Malik. Heißt also: Zu den 49 Euro kommen in Sonderfällen Kosten hinzu. Damit sinkt dann allerdings auch der Symbolwert des Tickets an sich.

Das größte Problem, das Specht jedoch mit dem Ticket hat, ist die Verteilung der Kosten. Statistiker haben ausgerechnet, dass das 49-Euro-Ticket rund 4,7 Milliarden an Kosten verursacht. Drei Milliarden Euro sollen je zur Hälfte von Bund und Ländern getragen werden? Nun geht es um die sogenannte Nachschusspflicht. Wer für die Finanzierungslücke von 1,7 Milliarden Euro aufkommt, ist ungeklärt. Specht warnt davor, das auf dem Rücken von Kommunen und Verkehrsunternehmen auszutragen. Insgesamt könnten die Verkehrsverbünde schlechter planen, weil das 49-Euro-Ticket ein Monats- und kein Jahresticket sei. Das führe zu finanzieller Unsicherheit. „Was bringt es, solch ein billiges Ticket zu haben, wenn der Bus nicht kommt“, spitzte er zu.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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