Prozess - Am Mannheimer Landgericht müssen sich vier Männer verantworten / Sie sollen Waffen und Munition gebunkert haben / Karl B. wegen Volksverhetzung angeklag

Landgericht Mannheim: Wegen Volksverhetzung angeklagter "Druide" vertagt Aussage

Von 
Angela Boll und Sebastian Koch
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Der Angeklagte Karl B. (Mitte) nennt sich selbst „Druide Burgos von Buchonia“. Er soll im Internet gegen Juden und Flüchtlinge gehetzt haben. © Michael Ruffler

Mannheim. Die Sicherheitsvorkehrungen am Landgericht sind an diesem Freitag außergewöhnlich hoch. Zahlreiche Polizeibeamte vom Einsatzzug des Mannheimer Polizeipräsidiums bewachen schon am frühen Morgen das Gebäude, haben den Einlass im Auge und sind auch im Gerichtssaal positioniert.

Der Anlass: Vier Männer müssen sich wegen unerlaubten Erwerbs von Munition und Waffenbesitzes verantworten - und die Hauptfigur in dem Verfahren ist längst polizeibekannt. Karl B. (71), der sich selbst „Druide Burgos von Buchonia“ nennt, war als solcher schon in Schwetzingen und Brühl aktiv und hat durch krude Aussagen auf sich aufmerksam gemacht. Die Ermittlungsbehörden ordnen ihn und seine Anhänger - auch die Mitangeklagten - der Reichsbürgerszene zu.

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Hetze im Netz

Als einziger der vier Angeklagten muss Karl B. sich im laufenden Verfahren auch wegen Volksverhetzung verantworten. In den Sozialen Netzwerken habe er Hetze gegen Geflüchtete betrieben, den Holocaust geleugnet und die Nutzer gegen Juden aufgestachelt, das beschreibt Staatsanwalt Thomas Röber in der Anklage. Die Ermittlungsbehörde aus Karlsruhe ist eingeschaltet, denn der Staatsschutz hat ermittelt. Vieles ist anders in diesem Verfahren. Auch für Journalisten. Sie werden ebenso wie die Zuschauer kontrolliert und dürfen keine Kugelschreiber mit in den Saal bringen. Mit solchen „Schreibgeräten“ haben die Ermittler in dem Fall nämlich Erfahrung gemacht. Bei einem der Angeklagten war bei der Hausdurchsuchung ein sogenannter Schießkugelschreiber mit Patrone auf dem Nachttisch entdeckt worden. Ein außergewöhnliches Fundstück, bei Weitem aber nicht das einzige.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die vier Angeklagten vor allem durch ihre staatskritische Gesinnung verbunden waren. Zwischen 2015 und 2017 hätten sie sich aufgrund ihrer Überzeugung „zum Selbstschutz“ bewaffnet. Wohlwissend, dass sie dazu nicht berechtigt sind. Karl B. sei in dem Quartett die treibende Kraft gewesen, er habe die Männer zusammengeführt und den Angeklagten Frank E. dazu veranlasst, Munition herzustellen. 2017 flog das Ganze auf, und das Landeskriminalamt (LKA) durchsuchte sämtliche Häuser, Wohnungen und Lagergebäude der Männer. In der über 40 Seiten langen Anklage beschreibt Staatsanwalt Röber die sichergestellten Gegenstände. Darunter selbstgebaute, geladene Schussrohre, Tausende Patronen, eigens konstruierte Schusswaffen, die meisten geladen, sogenannte Polenböller, Gebinde aus Schießpulvergemisch und abgepackte Munition.

Reichsbürger-Szene

  • Die Angeklagten werden von den Ermittlungsbehörden der Reichsbürger-Szene zugeordnet. Die Bewegung steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
  • Es handelt sich dabei um Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Beim aktuellen Prozess haben sich auf Nachfrage der Richterin allerdings alle Angeklagten zu ihrer deutschen Staatsangehörigkeit bekannt.
  • Dennoch ermittelt in dem Verfahren die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, die für Staatsschutz zuständig ist.
  • Reichsbürger berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, so genannte Selbstverwalter definieren zum Beispiel ihr Grundstück als souveränes Staatsgebiet.

Sie waren von den Beamten in Erdbunkern entdeckt worden, in Räumen, die als Chemielabore oder als Werkstatt getarnt waren, teilweise lagen sie lose in Schubladen oder hingen sogar an der Wand über dem Bett. Vor Gericht präsentieren sich am ersten Verhandlungstag zumindest die drei Randfiguren reumütig. Keiner, übrigens auch nicht Karl B., leugnet die deutsche Staatsangehörigkeit. Alle stehen, wie im Gericht üblich, aber von Reichsbürgern bisweilen missachtet, auf, als die Kammer den Gerichtssaal betritt.

Drei Geständnisse

Nach der Mittagspause räumen Thiemo B. (56), wohnhaft in Reilingen, und Frank E. (57) über ihre Anwälte alle gegen sie gerichteten Tatvorwürfe voll umfänglich ein. Auch Klaus D. (66) ist geständig, lässt aber erklären, dass er von den 100 Patronen in seiner Garage nichts wisse und ohnehin erst spät zum Kreis dazugestoßen sei. Karl B. möchte sich am ersten Prozesstag noch nicht äußern - weder zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft noch zu seinem Lebenslauf. Richterin Bettina Krenz kündigt an, dass er am nächsten Verhandlungstag, Freitag, 21. Januar, Erklärungen dazu abgeben wird.

Über seinen bisherigen Werdegang berichtet Thiemo B. im Gerichtssaal persönlich. Ausführlich beschreibt er die posttraumatische Belastungsstörung, die ihn seit der Festnahme 2017 belaste. Damals waren alle vier Angeklagten zunächst in Haft gekommen, dann aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Ausführlich, ruhig und zumindest scheinbar gewissenhaft beantwortet er die Fragen der Richter. Auch Frank E. und Klaus D. sind sichtlicht bemüht, nichts offenzulassen. Verschlossen wirkt nur Karl B. Er ist groß, trägt einen langen, weißen Bart, hat lange weiße Haare. Auf seinem hellen Pulli ist ein Emblem abgebildet, um seinen Hals baumelt ein Band mit Steinen. Ob dieses Auftreten auch mit seiner Gesinnung zu tun hat, erfährt das Gericht möglicherweise am zweiten Prozesstag.

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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