Rhein-Neckar. Straßenbau und Naturschutz - das passt eigentlich überhaupt nicht zusammen. Dass dies - zumindest in Ansätzen - durchaus zusammengeht, will die neue Autobahn GmbH beweisen. An der Langzeit-Baustelle der A 656 bei Mannheim-Friedrichsfeld baut die Gesellschaft nicht nur die Straße für den Auto- und Lkw-Verkehr neu, sondern auch eine Heimat für Insekten und kleine Säugetiere. Auf der neu gestalteten Böschung dies und jenseits der Brücke über den Bahnhof Friedrichsfeld entstehen aktuell Blühwiesen und Steinhaufen als Rückzugsorte für Eidechsen.
Das Projekt ist eine Ausgleichsmaßnahme, die der Gesetzgeber für die Eingriffe in die Natur fordert, die beim Straßenbau entstehen. „Aber wir wollen mehr tun, als wir von den Gesetzen her eigentlich müssen“, sagt Betül Sahinkayali. Die junge Ingenieurin für Landschaftsplanung hat bei der Heidelberger Außenstelle der Autobahn GmbH angeheuert, weil dort gerade ein Umdenken stattfinde. So sei das Thema Klima- und Naturschutz sehr viel höher aufgehängt, als dies in den Vorgängerbehörden wie Regierungspräsidien der Fall war. Ein ganzes Team von Landschaftsplanern beschäftigt sich nun nicht nur in der Niederlassung Südwest in Stuttgart, sondern auch in der Heidelberger Außenstelle darum, wie die Natur ihre Rechte auf Ausgleichsflächen zurückbekommt, die ihr der Straßen- und Brückenbau an anderer Stelle nimmt.
Erstaunlicherweise entwickeln sich die Randbereiche der Autobahnen immer mehr zu Rückzugsorten seltener Pflanzen- und Tierarten, seit Wildblumenwiesen verschwinden. Die Bepflanzung der Böschungen hat noch weitere Vorteile: Sie stabilisiert die Erdhügel und dient für die Autofahrer auch noch als Schutz im Winter vor Schneeverwehungen.
Nicht genug Sträucher verfügbar
Beim ersten Grünprojekt der Autobahn GmbH in der Metropolregion haben die Planer allerdings mit Hürden zu kämpfen. Eigentlich sollten allein auf der Nordseite der insgesamt rund 5000 Quadratmeter großen Fläche in Mannheim-Friedrichsfeld im Frühjahr rund 3000 Büsche und Sträucher gepflanzt werden. Es sei aber sehr schwierig gewesen, so viele neue Pflanzen zu bekommen. Weil die Autobahn GmbH die Pflanzungen aber nicht einfach um eine Vegetationsperiode verschieben wollte, setzte sie kurzerhand einen anderen Schwerpunkt. Statt Sträuchern und Büschen für den Klimaschutz wurden und werden nun Blühpflanzen gesät, die Bienen und jede Menge anderer Insekten anlocken sollen. Die Sträucher werden dann in diesem Herbst gepflanzt.
Autobahn GmbH
- Seit dem Jahreswechsel ist die Autobahn GmbH des Bundes verantwortlich für Bau, Betrieb, Erhaltung und Finanzierung der Autobahnen.
- Die für die Metropolregion zuständige regionale Niederlassung hat ihren Sitz in Stuttgart, die Außenstelle hat ihre Büros in der Heidelberger Bahnstadt.
- Dort ist ein Team aus professionellen Landschaftsplanern für die so genannte Umweltbaubegleitung zuständig.
- Die Anlage des Straßenbegleitgrüns orientiert sich an den Richtlinien der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen.
Ein paar Schmetterlinge flirren beim Ortstermin schon rund um die knallroten Klatschmohn-Blüten. „Das dürfen gerne noch viel mehr werden“, sagt Sahinkayali. Sorgen sollen dafür Kratzdisteln, blühende Kleearten und Kamille-Blüten „Nichts, was hier wächst, ist Zufall“, sagt die Landschaftsplanerin. Alles sei genau bedacht und quadratmeterweise geplant, verwendet würden nur Pflanzen, die in der Region wachsen - darunter auch solche, die die Abgase von der Autobahn gut verarbeiten können. Angelegt ist der Bewuchs auf eine langjährige Pflege durch regionale Gartenbaubetriebe, die die Autobahn GmbH beauftragt.
Auf der Südseite der Baustelle zeigt sich schon, wie der Bewuchs aussehen soll. Zwischen den Gewächsen türmen sich einige Steinhügel, auf denen sich Zauneidechsen sonnen. „Ein paar Igel sind auch schon da“, weiß die Umweltexpertin der Autobahn GmbH. Trockene Zweige werden in wenigen Jahren zu dichten Hecken heranwachsen und ebenfalls eine neue Heimat für Kleintiere unterhalb der Autobahn bieten.
An den Bäumen in der Nachbarschaft hängen Nistkästen für Fledermäuse. Die Bäume sind Eigentum der Stadt Mannheim. Allerdings wolle man weitere eigene Plätze für die Behausung der geschützten Fledermäuse finden. Da sei man aber noch auf der Suche, erläutert Betül Sahinkayali. Auch Mauersegler werden hier Brutplätze finden. Ergänzt wird das Grün durch Insektenhotels, die speziell für die Autobahn GmbH und die Bedarfe vor Ort konstruiert werden.
Aber droht den Insekten denn nicht ein schneller Tod auf den Windschutzscheiben vorbeibrausender Autofahrer? Tatsächlich sei das ein auch in Fachkreisen heiß diskutiertes Thema, verrät Betül Sahinkayali. Das Risiko lasse sich aber minimieren, indem die den jeweils vom Verkehr abgewandten Seitenentsprechend bepflanze.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-klimaschutz-an-der-autobahn-insekten-finden-neue-heimat-neben-a-656-_arid,1816512.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html