Rhein-Neckar. In Rheinland-Pfalz hat das neue Schuljahr begonnen – und gleich mit einer Änderung, die viele Schülerinnen und Schüler freut. Unangekündigte Hausaufgabenüberprüfungen (HÜ) sollen Geschichte sein. Das gab Bildungsminister Sven Teuber (SPD) pünktlich zum Schulstart bekannt: „Das ist ein Relikt aus alten Zeiten, das wir heute nicht mehr brauchen.“ Rheinland-Pfalz wolle die „Lern- und Prüfungskultur“ in den kommenden Jahren stark verändern, kündigte er an: „Das hier wird der Startpunkt sein.“
Gute Leistungen sollten laut Teuber nicht durch Druck, sondern beispielsweise durch mehr Feedback-Gespräche mit den Lehrkräften erzielt werden. Die Ergebnisse des Schulbarometers 2025 zeigen tatsächlich, dass immer mehr Kinder und Jugendliche die Schule als einen Raum des Unwohlseins empfinden. Dass mehr als die Hälfte von ihnen sagen, dass sie nicht gerne in die Schule gehen, hängt laut Teuber auch mit der Angst vor Tests zusammen. Deswegen gilt nun in Rheinland-Pfalz: Seit vergangenem Montag sollen alle schriftlichen und mündlichen HÜ's bereits bei der Erteilung der Hausaufgaben angekündigt werden. Was halten Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und Eltern von der Entscheidung?
Für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Rheinland-Pfalz sind das gute Neuigkeiten. Denn unangekündigte Prüfungen würden Angst und Leistungsdruck verstärken. „Sie verhindern, dass sich Schülerinnen und Schüler mit Freude und Ruhe auf Lerninhalte einlassen können“, betont die Vorsitzende Christiane Herz in einer Pressemitteilung. Wenn Prüfungen angekündigt sind, können sich Schülerinnen und Schüler gezielt vorbereiten. „Das schafft Gerechtigkeit“, schreibt Herz.
So reagieren Lehrkräfte und Eltern in Ludwigshafen, Speyer und Landau
Die LandesschülerInnenvertretung (LSV) Rheinland-Pfalz teilt diese Meinung. Es sei ein Schritt in die richtige Richtung. Es müsse jedoch weitere geben, um die Schule zukunftsfähig zu halten. Noten und Klausuren würden die Schülerinnen und Schüler ständig unter Druck setzen. Die LSV setzt sich deshalb für neue, alternative Möglichkeiten ein, die Leistung zu prüfen.
Auch die Schülervertretung des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Ludwigshafen berichtet von Druck und Panik bei den spontanen HÜ's. „Selbst wer vorbereitet war, fühlte sich oft gestresst durch die ständige Unsicherheit“, teilt die Vertretung auf Anfrage mit. Jetzt sei das Lernumfeld transparenter und entspannter. Gleichzeitig verstehen die Schülerinnen und Schüler auch, dass man durch unerwartete Kontrollen regelmäßig am Ball bleiben muss. Diese Verantwortung liegt jetzt bei den Kindern und Jugendlichen.
Für Volker Knörr ist es schon lange gängige Praxis, zum Beispiel Vokabeltests anzukündigen oder zumindest anzudeuten. Knörr ist Lehrer und Schulleiter der Adolf-Diesterweg-Realschule plus in Ludwigshafen-Oggersheim. Ab November wird er neuer Landrat des Rhein-Pfalz-Kreises. Seine Erfahrung zeigt, dass es egal ist, ob die HÜ's angekündigt sind oder nicht. Die Noten würden nicht besser werden. An seiner Schule hätten die Schülerinnen und Schüler außerdem weniger Angst vor dem Unterricht. Das Problem sei eher der fehlende Fleiß. „Hausaufgaben erledigen ist ein Fremdwort“, sagt Knörr.
Michael Huber, Lehrer an der Integrierten Gesamtschule Speyer, hat in den vergangenen Jahren keinen unangekündigten Test geschrieben. Deshalb müsse er sich nicht umstellen. An der Integrierten Gesamtschule Landau wird das laut Schulelternsprecherin und Mutter Miriam Lenz schon länger so gehandhabt. Lenz selbst ist der Meinung, dass Schülerinnen und Schüler aus einer inneren Motivation heraus lernen sollten. Sie begrüßt Teubers Entscheidung.
Michael Vogel sieht jedoch auch die negativen Aspekte. Er ist Vater, stellvertretender Schulelternsprecher der Maria-Ward-Schule in Landau und Mitglied im Schulelternbeirat des Otto-Hahn-Gymnasiums Landau. Die unangekündigten Tests seien pädagogisch sinnvoll. „Auch die Schülerinnen und Schüler müssen lernen, auf Unvorhergesehenes vorbereitet zu sein, das Leben kündigt auch nicht alles an“, schreibt Vogel auf Anfrage. Die Neuerung ändere nicht viel, weil manche Lehrkräfte nun einfach das Niveau anheben und die Schülerinnen und Schüler damit auch stressen würden.
Keine spontanen Tests an Schulen in Rheinland-Pfalz: Kritik an der Art und Weise der Ankündigung
Eine klare Meinung gegen Teubers Beschluss hat der Philologenverband, der die Interessen von Gymnasiallehrkräften vertritt. Der Schritt sei ein massives politisches Hineinregieren in das pädagogische Alltagsgeschäft. „Lehrkräften wird pauschal die Fähigkeit abgesprochen, selbst die für ihre Klassen und Kurse passende Form der Leistungsüberprüfung zu wählen“, stellt der Verband klar. Außerdem wird kritisiert, wie die Neuerung angekündigt wurde. Der Verband spricht von einer „unausgegorenen Hauruckaktion“ des Ministers.
Das sieht auch Knörr so: Am ersten Schultag um 8.28 Uhr sei die Information an die Schulen geschickt worden. „So geht man nicht mit Schulen um“, sagt Knörr bestimmt. Auch für Vogel ist der Zeitpunkt „reine Wahlkampftaktik“. Man hätte die Änderungen früher ankündigen sollen. Gleichzeitig werden „echte Probleme“, wie die fehlenden finanziellen Mittel und die Digitalisierung nicht angegangen, kritisiert Vogel. Auch Knörr hält andere Maßnahmen für notwendiger, zum Beispiel regelmäßige, verpflichtende Gespräche mit den Eltern. (mit dpa)
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