Marco F. ist ein hagerer Mann Mitte 40. Er trägt eine Brille, hat eine kahle Stelle am Haaransatz. Am Montag erhaschen Prozessbeobachter nur einen kurzen Blick auf den Mann, der sich seit Montag wegen 184 Fällen von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen vor dem Mannheimer Landgericht verantworten muss.
Ermittler fanden Bilder und Videos
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Jugendtrainer aus dem Rhein-Neckar-Kreis 128 Taten des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie 42 Taten des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen und 14 Fälle von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern vor. Nach Angaben der Justizbehörde fanden Ermittler mehr als eine halbe Million Fotoaufnahmen und rund 28 000 Videoclips auf verschiedenen Datenträgern des Mannes, dem deshalb auch der Besitz von Bildern und Videos mit kinder- und jugendpornografischem Inhalt vorgeworfen wird. Die Kinder und Jugendlichen - insgesamt zehn, alle männlich - sollen zum Tatzeitpunkt zwischen 11 und 17 Jahre alt gewesen sein.
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Der Prozess beginnt mit anderthalb Stunden Verspätung, eine Schöffin fehlt, eine Vertreterin muss kommen. Dann eröffnet der Vorsitzende Richter Joachim Bock das Verfahren. Zu Beginn der Verhandlung befragt Bock den 45-Jährigen zu seinen Personalien. F. nickt, lächelt kurz, hört aufmerksam zu. Er sei „ledig, Single“.
Sein Blick ist wach, offen, ruht auf dem Richter, neben ihm sitzen seine Verteidiger, die Heidelberger Rechtsanwälte und Kanzleikollegen Jörg Becker und David Vollert de Hendrik. Die Verteidiger stellen den Antrag, die Öffentlichkeit während der Anklageverlesung vom Prozess auszuschließen. Die Details darin seien zu privat, zu persönlich, zu intim. Die Kammer folgt dem Antrag - und nach wenigen Minuten ist der Prozess für die Öffentlichkeit vorbei. Insgesamt hat die Kammer elf Prozesstage anberaumt, die weitgehend nicht-öffentlich stattfinden werden. Urteil und Urteilsbegründung - nach jetziger Planung im November - finden voraussichtlich wieder öffentlich statt.
Eltern erstatteten Anzeige
Mitte Juni hatten die Kriminalpolizei und die Mannheimer Staatsanwaltschaft die Vorwürfe erstmals öffentlich gemacht und mitgeteilt, dass der Mann sich seit Dezember 2022 in Untersuchungshaft befinde. Mehr als ein halbes Jahr lang hatten Ermittler Beweismittel ausgewertet, hieß es in der Stellungnahme der Justizbehörde. Die Taten, die nun vor Gericht juristisch aufgearbeitet werden, sollen sich über einen Zeitraum von fast zwanzig Jahren - zwischen 2003 und 2022 - in einem Verein im Rhein-Neckar-Kreis zugetragen haben. Bis zu seiner Festnahme soll Marco F. aktives Mitglied des Vereins gewesen sein.
Die Mannheimer Rechtsanwältin Sabrina Hausen vertritt drei der Betroffenen vor Gericht. „Die Ermittler wurden auf den Mann aufmerksam, weil sich ein Junge seinen Eltern anvertraute, die Anzeige erstatteten“, so Hausen auf Nachfrage.
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