Ludwigshafen. Zwei Welten. Afrika und Deutschland. Ghana und Ludwigshafen. König und Kfz-Mechaniker. Goldbesetzte Gewänder und Blaumann. Die ungewöhnliche Geschichte von Céphas Bansah ist schon oft erzählt worden. Der heute 72-Jährige, der vor 50 Jahren durch einen Studentenaustausch nach Deutschland kam und sich in Ludwigshafen-Mundenheim eine Autowerkstatt aufbaute. Der Mann, der gleichzeitig König einer rund 200 000 Einwohner starken Gruppe des Volks Ewe im Osten Ghanas ist. Diese Geschichte erzählt die Mannheimer Regisseurin und Drehbuchautorin Agnes Lisa Wegner (Bild) jetzt noch einmal ganz neu. „König Bansah und seine Tochter“ heißt ihr Dokumentarfilm, der bei den Hofer Filmtagen Ende Oktober Premiere feierte und prompt mit dem Dokumentarfilmpreis in der Kategorie „Beste Regie abendfüllender Dokumentarfilm aus deutscher Produktion“ gewürdigt wurde.
„Absolute Herzenssache“
Der Film begleitet Bansah und dessen Tochter Katharina bei ihrem alltäglichen Leben in Deutschland und taucht bei einer Reise in ihr Herkunftsland tief in die dortige Kultur ein. „Er erzählt eben von diesen verschiedenen Welten, den Kontrasten und vermeintlichen Widersprüchen, die es gibt. Zwischen Ghana und Deutschland und in den Protagonisten selbst“, erklärt Wegner im Gespräch mit dieser Redaktion. Sie wollte weg von der plakativen Darstellung „zwischen Thron und Werkstatt“, eine tiefere Ebene erreichen, Zerrissenheiten aufzeigen.
Herausgekommen ist das Bild eines Mannes, der sich verantwortlich fühlt für das Wohlergehen seines Volkes, der unermüdlich Spenden sammelt, damit Brunnen finanziert und Brücken baut. „Für ihn ist das eine absolute Herzenssache. Dafür lebt er. Darin geht er auf“, sagt Wegner. Doch Bansah steht auch unter Druck, muss entscheiden, welches Kind operiert wird und welches nicht, wird in Ghana als Hoffnungsträger und Heilsbringer verehrt.
„Und auch in Deutschland gibt es Erwartungen an ihn. Die Leute wollen den König sehen“, sagt die Regisseurin. Im Film beschreibt sich Bansah als Chamäleon, das sich den Wünschen der Menschen anpassen müsse. „Wenn sie blau wollen, dann bekommen sie blau“, sagt er.
Fast noch spannender ist jedoch der Einblick in das Seelenleben von Katharina Bansah. „Bei ihr spielt sich alles auf einer anderen Ebene ab. Sie trägt als Tochter eines Ghanaers und einer Deutschen zwei Kulturen in sich und setzt sich stark mit ihrer Identität auseinander“, so Wegner. Die Filmemacherin habe die 39-jährige selbstständige Künstlerin und Grafikdesignerin durch die Arbeit kennengelernt und sei so erst auf die Idee des Filmprojekts gekommen.
Weinstraße, Leberwurst und Kohl
Katharina Bansah ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. „Mit Weinstraße, Leberwurst und Helmut Kohl“, sagt sie. Dennoch fühlt sie sich nicht vollständig akzeptiert und zugehörig. Gerade seit der Flüchtlingskrise erlebe sie Ressentiments. Gleichzeitig gelte sie aber in Ghana trotz ihrer braunen Haut als Weiße, kennt das Land nur von vereinzelten Reisen. Und so lastet auch die Entscheidung schwer auf ihr, ob sie eines Tages die Thronfolgerin ihres Vaters werden möchte.
„König Bansah und seine Tochter“ zeigt, wie Katharina nach neun Jahren mit ihrem Vater wieder nach Ghana reist. „Ich habe da eine Entwicklung bei ihr gespürt. Was sie dort erlebt hat, daraus ist sie gestärkt hervorgegangen“, sagt Regisseurin Wegner. „Sie hat gespürt, wie viel ihr diese Kultur geben kann. Zu wissen wo sie herkommt, macht sie stolz.“ Gleichwohl ist die Entscheidung über die Thronfolge noch offen. „Ich kann auch helfen, ohne Königin zu sein“, sagt Katharina Bansah am Ende des Films auf der Ludwigshafener Parkinsel zu ihrem Vater.
Der Film, der von Kurhaus production in Kooperation mit dem Kleinen Fernsehspiel des ZDF produziert wurde, schneidet viele Themen an. Verantwortung, Identität, Zugehörigkeit, Rassismus. „Am wichtigsten ist mir aber, dass der Film eine Haltung gegen Schubladendenken transportiert. Menschen sollen als Menschen gesehen werden, nicht als schwarz oder weiß, König oder Prinzessin“, sagt Wegner. „Wir müssen lernen, unser Gegenüber als solches zu sehen und nicht verstellt von Vorurteilen. Denn das schafft Distanz und schürt Hass.“
Für Agnes Lisa Wegner war der Filmdreh von Sommer bis Oktober 2019 eine faszinierende Reise mit faszinierenden Menschen. „Die Zeit in Ghana war unheimlich intensiv, aber viel zu kurz“, sagt sie. Durch das Projekt seien Céphas Bansah und seine Tochter nun ein Teil ihres Lebens. Und umgekehrt.
Die Produktion
- Bei dem Dokumentarfilm „König Bansah und seine Tochter“ hat Agnes Lisa Wegner (Bild) Regie geführt.
- Er ist eine Produktion von Kurhaus production (Produzenten: Christoph Holthof, Daniel Reich) in Ko-Produktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel.
- Der Film feierte Ende Oktober bei den Filmtagen in Hof Premiere und wurde mit einem Preis ausgezeichnet.
- Er soll im Jahr 2021 erstmals im Fernsehen ausgestrahlt werden.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-identitaetssuche-in-zwei-kulturen-_arid,1713855.html