Skurriles Schauspiel

"Heil Selenskyj": Was ein russisches Propaganda-Video mit der Pfalz zu tun hat

In den sozialen Netzwerken kursiert ein skurriles Video. Die Eingangssequenz zeigt ein Haus in Rhodt unter Rietburg, eigentlich für Wein und seine Sesselbahn bekannt. Waren die Russen tatsächlich dort?

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Stephan Alfter
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Deutschland 2023: Die erste Szene in dem Propaganda-Spot zeigt den Ortskern von Rhodt unter der Rietburg, auch bekannt für seine Sesselbahn. © T. Dolch

Metropolregion. Ein offenbar aus Russland stammendes Video, das sich der malerischen pfälzischen Idylle in Rhodt unter Rietburg im Landkreis Südliche Weinstraße bedient, verbreitet sich seit Mittwoch immer schneller im Internet. Hergestellt wurde das zunächst satirisch anmutende Filmchen offenbar zu Zwecken der Kriegspropaganda. Zu sehen sind dort von russischen Schauspielern dargestellte Bundeswehrsoldaten, die an der Türe eines alten Gutshauses im Ortsmittelpunkt von Rhodt klingeln, um in einer Hauruckaktion den dortigen Bewohnern ihren gesamten Hausstand wegzunehmen.

Vermittelt werden soll hier die Botschaft, dass den Deutschen zugunsten der Ukraine gerade ihr letztes Hemd ausgezogen wird. Sogar sein Plüschtier (in Anlehnung an den gleichnamigen Panzer natürlich ein Leopard) muss der Filius der bedröppelt dreinschauenden deutschen Familie am Ende des einminütigen Spots opfern.

„Heil Selenskyj“, ruft die Anführerin der Bundeswehrtruppe, ehe ein Bild des ukrainischen Präsidenten an die Wand gehängt wird und sich die Soldaten wieder verdrücken. Der Nazi-Vergleich drängt sich nicht nur unterschwellig auf. Selenskyjs Bild ist das einzige, was der Familie noch bleibt, nachdem die Bundeswehrsoldaten das Haus verlassen wieder haben.

Hintergrund des Videos nur zu erahnen

Das Ziel des Videos ist nicht nur zu erahnen. Auf den Punkt gebracht, heißt die Aussage: So kann es einem gehen, wenn man in der Nato ist. So bizarr die Szenerie auch ist - sie soll zeigen, wie sehr kleine Bürger unter der Knute der indirekten deutschen Beteiligung am Ukraine-Krieg leiden müssen. Der Spot soll nachdenklich und misstrauisch machen. Im Untertitel erfährt der Zuschauer, dass Deutschland seit dem vergangenen Jahr 22 Milliarden Euro für die Ukraine ausgegeben habe.

Dass Russland in diese Form der Propaganda viel Energie und Geld steckt, ist in den vergangenen Jahren nicht verborgen geblieben. Immer wieder werden Verbindungen von pro-russischen AfD-Funktionären zu Moskau bekannt. Für beide wäre eine Destabilisierung des demokratischen Systems in Deutschland für ihre Ziele von Vorteil. Wem drängt sich da nicht der Satz des früheren AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland auf: „Wir werden sie jagen und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen“, sagte er nach der Bundestagswahl 2017. Seit Jahren ist in diesem Zusammenhang von russischen Bots die Rede - also von programmierten Maschinen, die mit Hilfe von lancierten Falschnachrichten Hass und Hetze im Internet verursachen sollen. Es gelingt ziemlich oft.

Längst ist der aktuelle Krieg auch in der virtuellen Welt zu Hause. Entsprechend schnell verbreitete sich das Video am Mittwoch über mehr als ein Dutzend Propagandasender, die sich an Russen in Deutschland richten. Nicht zuletzt der in Deutschland seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs verbotene Staatssender „Russia Today“ bietet Unterstützern Russlands durch seine Netzwerke eine Plattform.

Schauspieler aus dem Video sind bekannt

Die ersten Journalisten, die hierzulande am Mittwoch über den fragwürdigen Inhalt des Satire-Videos berichteten, waren Investigativreporter des deutschen Nachrichtenportals „t-online“. Sie konnten belegen, dass der Beitrag tatsächlich russischer Provenienz ist. Aus Deutschland stammt demnach nur die erste Sequenz des Videos - die Theresienstraße 110 in dem pfälzischen Örtchen Rhodt. Wie die Urheber des Films ausgerechnet auf diese Aufnahme stießen, ist unklar.

Die Aufnahmen stammen aus dem pfälzischen Ort. © Twitter Screenshot Mark Krutov

Unter anderem Sergey Lagodinsky (Bündnis 90/ Die Grünen), Mitglied im Europaparlament und in Russland geboren, wies am Donnerstag auf Facebook auf die Existenz des Videos hin. Er rief Landsleute, die wie er Putin kritisch gegenüberstehen, dazu auf, zuverlässige Informationen zur Herkunft des Beitrags zu sammeln. Der Journalist Mark Krutov lieferte daraufhin auf seinem Twitter-Portal glaubhafte Belege zu den Darstellern und konnte ihre realen Namen nennen.

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Demnach sind alle Akteure in dem Video in Russland mehr oder weniger bekannte Kino- und TV-Schauspieler, die selbstverständlich niemals in Rhodt waren. Der Mann, der etwa den Familienvater spielt, habe bereits in einem Video gewirkt, das „Russia Today“ zu Weihnachten 2022 verbreitet habe, so Krutov.

Die Telegram-Kanäle russischer Akteure verbreiteten spätestens seit Mittwoch die Erzählung, dass das Video nicht aus Russland stamme, sondern dass die AfD dieses Video im Internet verbreite. Dann bliebe aber immer noch die Frage, warum die AfD dabei auf russische Schauspieler zurückgreifen würde.

Bürgermeister von Rhodt an der Rietburg reagiert

Lars Wienand, einer der genannten Reporter von „t-online“ machte die Quelle des Fotos aus Rhodt ausfindig. Demnach wurde es 2017 aufgenommen. Die Rechte liegen nach unserer Recherche unter anderem bei dem Portal Mauritius-Images aus München, das auf Anfrage dieser Redaktion sagte, es in der jüngeren Vergangenheit nicht für solche Zwecke lizenziert zu haben.

Ich habe das Video zugetragen bekommen am Mittwoch. Es ist eine schlechte Werbung für Rhodt, dass wir in diesem Zusammenhang erscheinen.
Armin Pfister Bürgermeister in Rhodt an der Rietburg

Was Armin Pfister, Bürgermeister in Rhodt an der Rietburg, zu dem Beitrag sagt, kann man sich denken: „Ich habe das Video zugetragen bekommen am Mittwoch. Es ist eine schlechte Werbung für Rhodt, dass wir in diesem Zusammenhang erscheinen.“ Worauf der Beitrag abziele, sei ja klar.

Bernhard Kukatzki aus Schifferstadt, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Rheinland-Pfalz, sagte am Donnerstag auf Anfrage, dass er den Spot zum Anlass nehmen möchte, mal wieder einen kompetenten Gesprächspartner einzuladen, der in einem Online-Format auf die Gefahren hinweist, die von dieser Art russischer Propaganda ausgehen.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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