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Heidelbergs OB Würzner: „Wir haben jetzt wirklich ein Riesenproblem“

Die Umwandlung ehemaliger Militärflächen ist gestoppt. Das sagen die betroffenen Städte Heidelberg, Speyer und Schwetzingen dazu.

Von 
Bernhard Zinke
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Patrick-Henry-Village sollte der 16. Stadtteil Heidelbergs werden. Jetzt liegen die Pläne erstmal auf Eis. Das Bundesverteidigungsministerium will die Eignung des Geländes für die Bundeswehr prüfen. © Philipp Rothe

Rhein-Neckar. Gemunkelt wurde in vielen Kommunen schon seit Wochen, dass der Bund neuen Bedarf an ehemaligen Militärflächen haben könnte. Die Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) waren ins Stocken geraten – auch bei solchen Flächen, die schon lange im Schaufenster standen. Nun sieht sich die Bundeswehr angesichts der internationalen Entwicklungen rund um den Ukraine-Krieg in einer neuen Situation. Die Bedrohungslage ist größer geworden. Seit Dienstag haben die Kommunen Gewissheit. 183 Liegenschaften werden erst einmal nicht umgewandelt. In der Metropolregion konkret betroffen ist die ehemalige Militärsiedlung Patrick-Henry-Village (PHV), die Kurpfalz-Kaserne in Speyer und die Tompkins-Kaserne in Schwetzingen.

Ganz überraschend trifft es Heidelberg nicht. Es habe im September Signale gegeben, dass der Bund möglicherweise Bedarf an Teilflächen der ehemaligen Wohnsiedlung anmelden könnte. Gleichwohl kann die Stadt ihre ambitionierten Pläne für den 16. Stadtteil erst einmal zu den Akten legen. „Wir haben jetzt momentan wirklich ein Riesenproblem“, will Oberbürgermeister Eckart Würzner die Tragweite gar nicht kleinreden. Immerhin gehe es um eine Fläche von rund 100 Fußballfeldern, die nicht weiter entwickelt werden können. Sechs Jahre Planungen, Masterplan und Bürgerbeteiligung sind jetzt erst einmal kein Thema mehr. „Das wirft uns Jahre, Jahrzehnte zurück“, macht Würzner deutlich.

Verträge mit der BImA sind unterschriftsreif

Die Verhandlungen mit der BImA über den Verkauf der PHV-Flächen waren weit gediehen, die Verträge aus Sicht des OB unterschriftsreif. Ziel sei ein Abschluss noch in diesem Jahr gewesen. Ob die ehemalige Wohnsiedlung der US-Militärangehörigen überhaupt für die militärische Nutzung taugt, daran haben viele Menschen ihre Zweifel. Denn auf PHV war nie schweres Gerät untergebracht. Es hat sich schon immer um eine reine Wohnsiedlung für Angehörige gehandelt. Damit ist es aus Sicht der Stadt ungeeignet für die Bundeswehr.

Die Zukunft der ehemaligen Wohnsiedlung von US-Militär-Familien ist wieder unklar. © Philipp Rothe

Die Verwaltung hat bereits etliche Millionen Euro in die Planungen für den neuen Vorzeigestadtteil investiert. Dieser Prozess dauert schon seit 2016. Eigentlich hatte die Stadt direkt nach dem Flächenerwerb mit der Entwicklung loslegen wollen.

Mit dem Umwandlungsstopp steht übrigens auch wieder ein Fragezeichen hinter der Entwicklung des Ankunftszentrums für Geflüchtete. Das befindet sich derzeit mitten auf dem Gelände und sollte am Rand des Stadtteils untergebracht werden. Dazu hatte es sogar einen Bürgerentscheid gegeben, das Ankunftszentrum nicht zu verlegen. Einen entsprechenden Gemeinderatsbeschluss gibt es dazu auch.

Die Bedeutung von PHV ist auch deswegen so entscheidend für die Stadt Heidelberg, weil es sich um die einzige verbliebene versiegelte Fläche handelt, die für Wohn- und Gewerbeflächen entwickelt werden könnte. Der Bedarf an Wohnraum sei insgesamt enorm groß, sagt ein Sprecher der Stadt auf Nachfrage: „Auch nach der Entwicklung aller ehemaligen US-Flächen wird der Wohnraumbedarf nicht vollständig abgedeckt sein.“ Auf PHV sollen insgesamt 10.000 Menschen eine neue Heimat finden. Zudem sollen rund 5.000 Arbeitsplätze entstehen.

Schwetzingen will Gewerbe auf Tompkins ansiedeln

Auch in Schwetzingen hat die Stadtspitze den Sinneswandel des Bundes mit Enttäuschung zur Kenntnis genommen. Man habe in den letzten Jahren viel Energie in den Prozess gesteckt habe und sei kurz vor dem Durchbruch für die Entwicklung von attraktiven Wirtschaftsflächen gewesen, sagte Oberbürgermeister Matthias Steffan.

Die Pforte in der Erstaufnahmestelle Tompkins Barracks. Auch hier ist die Entwicklung nun unklar. © Dirk Jansch

Die Kommune hatte schon 2021 Gespräche mit dem Bund und dem Land für eine Entwicklung der Tompkins-Kaserne aufgenommen. Neben der mittel- und langfristigen Nutzung der Kasernengebäude für die aktuell betriebene Landeserstaufnahme für Flüchtlinge sollten auf der 17 Hektar großen Fläche Gewerbe angesiedelt werden.

Stadt Speyer von der Vorgehensweise der BImA enttäuscht

Alles andere als begeistert ist auch die Stadt Speyer – nicht nur von der Tatsache an sich, sondern auch vom Procedere: „Da die Stadt seit mehreren Jahren die zivile Entwicklung der ehemaligen Kasernenflächen aktiv vorantreibt und hierzu in kontinuierlichem Austausch mit der BImA steht, hätte sie sich eine direkte Information über die Entscheidung seitens des Bundes beziehungsweise der BImA gewünscht, anstatt eigenständig öffentliche Mitteilungen auswerten zu müssen“, heißt es in der Stellungnahme der Stadt.

Die Kurpfalz-Kaserne in Speyer steht ebenfalls auf der Prüfliste der Bundeswehr. © Klaus Venus

Den Daumen haben BImA und Bundeswehr nun auf der Kurpfalz-Kaserne, aber auch auf dem Bundeswehrdienstleistungszentrum und dem Polygongelände, ebenfalls im Speyerer Norden gelegen. „Die Stadt Speyer hat in den vergangenen Jahren intensiv daran gearbeitet, die ehemaligen Kasernenflächen für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Nachnutzung vorzubereiten“, sagt die Speyerer Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler. „Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass der Bund nun zeitnah Klarheit schafft, ob und in welchem Umfang die Speyerer Liegenschaften betroffen sind.“ Für eine verlässliche Stadtentwicklung brauche es transparente Entscheidungen und einen partnerschaftlichen Austausch auf Augenhöhe zwischen Bund und Kommune, fordert Seiler.

Ungeachtet des Umwandlungsstopps will die Stadt Speyer an ihren Planungen festhalten, die Fläche nördlich der Kurpfalz-Kaserne als Gewerbegebiet zu entwickeln. Es handelt sich um ein rund 4,4 Hektar großes Gebiet östlich der Auffahrt auf die B 9.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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