Landgericht - Bewährungsstrafen für geständige Anhänger / Hauptbeschuldigter räumt über Rechtsanwälte Vorwürfe ein / Weiteres Verfahren wegen Volksverhetzung läuft in Sachsen-Anhalt

Hauptangeklagter „Druide“ erhält eigenen Prozess

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lia
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Als rechtsextrem eingestuft: der Hauptangeklagte Karl B. © dpa

Mannheim. Selbstgebaute Schrotflinten, Schieß-Kugelschreiber und über 3000 Patronen Munition: Es muss ein beachtliches Waffenarsenal gewesen sein, das die drei Angeklagten für ihren Mitangeklagten Karl B., einen selbst ernannten Druiden, zusammengestellt haben.

Für diese Taten, den unerlaubten Erwerb von Munition und Waffenbesitz, sind drei Männer am Freitag, am zweiten Verhandlungstag am Mannheimer Landgericht, überraschend zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Zudem hat das Landgericht das Verfahren gegen den mitangeklagten „Druiden“ abgetrennt. Er ist zudem wegen Volksverhetzung angeklagt, ein weiteres Verfahren läuft bereits in Sachsen-Anhalt in Halle an der Saale.

Wie sich im Laufe der Verhandlung in Mannheim herausstellt, glaubten die drei Angeklagten Thiemo B. (56), Frank E. (57) und Klaus D. (66) tatsächlich den kruden Fantasien ihres Mitangeklagten Karl B., ließen sich in seinen Bann ziehen.

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Julian Eistetter
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Im Gerichtssaal bleibt der 71-Jährige am Freitag wortkarg, trägt erneut einen weißen Pulli samt Jacke mit keltischem Symbol. Ketten mit Anhänger baumeln von seinem Hals, die langen, weißen Haare hat er zu einem Zopf gebunden. Zu Beginn stimmt er durch seine Verteidiger dem Verständigungsvorschlag des Gerichts zu, räumt alle Vorwürfe ein und hofft somit auf eine Strafmilderung. Später gibt ein Beamter des Landeskriminalamts (LKA) Einblicke in die Gedankenwelt des „Druiden“, der sich über die Jahre radikalisiert hat. So sollen die selbstgebauten Waffen etwa aus Wühlmausfallen nicht für einen Angriff gegen den Staat, sondern für die Selbstverteidigung gedacht gewesen sein – gegen Außerirdische und feindliche Truppen aus Russland, den USA oder bewaffnete Geflüchtete. Auf einem Campingplatz und Bauernhof in Sachsen-Anhalt wollte sich der 71-Jährige einen autarken Rückzugsort aufbauen, träumte davon, dass sich die Menschen in Stämmen zusammenschließen.

Auch soll Karl B. geplant haben, einen Stall in eine „Ritterburg“ umzubauen, um sich zu verteidigen. Das alles erfährt das LKA durch verdeckte Ermittler, abgehörte Gespräche und Chats sowie durch Beschattung seiner Anhänger und Mitangeklagten. Die Ermittlungen gegen den „Neo-Druiden aus Hessen“, der auch in Brühl und Schwetzingen aktiv war, kommen ins Rollen, als sich ein Bundeswehrsoldat bei den Behörden meldet. Er hatte sich wegen eines Krebsleidens dem Heiler anvertraut, der ihm dabei einen Schieß-Kugelschreiber anbot.

Hergestellt ist die Waffe von einem der drei Angeklagten. „Karl B. verstand es als Galionsfigur genau, die Ängste der Angeklagten vor Überfremdung zu schüren, sie für seine Pläne zu gewinnen und so Waffen zu sammeln“, erklärt Richterin Bettina Krenz bei der Urteilsverkündung. Zudem seien die Angeklagten E. und B. interessante Tatgenossen für Karl B. gewesen: Sie waren handwerklich begabt und hätten eine ähnliche Gesinnung gehabt. Als besonders nützlich hätte sich der Angeklagte Klaus D. erwiesen. Denn der Sportschütze mit Waffenschein ließ sich dazu bringen, legal gekaufte Munition für den 71-Jährigen zu beschaffen. Bei der Urteilsfindung berücksichtigt die Strafkammer vor allem die Geständnisse sowie die Länge des Verfahrens: Seit sechs Jahren laufen die Ermittlungen. In dieser Zeiten hätte sich keiner der Angeklagten etwas zu Schulden kommen lassen– das sei bereits eine Art Bewährung gewesen. Besonders den Angeklagten Thiemo B. habe das Verfahren belastet, weil er deshalb seine Anstellung verloren habe und in psychiatrische Behandlung gehen musste. 

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