Justiz

Geldautomatensprengung in Ludwigshafen: Mutmaßliche Täter vor Gericht

Sie sollen mit 181 Stundenkilometern durch Ludwigshafen gerast sein, nachdem sie einen Geldautomaten in die Luft jagten. Nun müssen sich zwei junge Männer vor dem Landgericht in Frankenthal verantworten

Von 
Agnes Polewka
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Oussama S. mit seinem Koblenzer Strafverteidiger Ralph Querbach und Oussama H. mit Strafverteidiger Christoph Pawlowski aus Aachen. © Agnes Polewka

Frankenthal. Zwei Männer stehen mit Sturmhauben vor einem Geldautomaten der Sparkasse Vorderpfalz. Einer hält ein Brecheisen in der Hand. Eine Schnur ragt aus dem Automaten. Eine Zündschnur. Kurze Zeit später wird der Geldautomat explodieren, die Männer werden rund 28 500 Euro in eine schwarze Sporttasche packen, zu einem Wagen eilen, der draußen auf sie wartet - und sich eine spektakuläre Verfolgungsjagd mit der Polizei liefern.

Richterin Sonja Steingart projiziert die Aufnahme einer Überwachungskamera am Mittwoch auf einen Großbildschirm im Sitzungssaal 10 des Frankenthaler Landgerichts. Es ist der erste Tag im Prozess gegen Oussama H. (23) und Oussama S. (22), die sich wegen der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion vor Gericht verantworten müssen. Ihnen droht eine Freiheitsstrafe zwischen einem und 15 Jahren.

Erst das Brecheisen, dann die Sprengstoffpakete 

Die Männer sollen am 14. März dieses Jahres in die Rewe-Filiale in der Von-Kieffer-Straße im Ludwigshafener Stadtteil Rheingönheim eingebrochen sein. Dort soll einer der beiden Männer die Front eines Geldautomaten mit einem Brecheisen aufgehebelt haben. Dann befestigten beide - so steht es in der Anklageschrift - zwei Sprengstoffpakete am Gerät - und die Maschine flog gegen 1.30 Uhr in die Luft. Die Männer sammelten laut Staatsanwaltschaft das Bargeld ein, das sich im Innern des Automaten befand, insgesamt 28 420 Euro. Draußen vor der Filiale soll ein Komplize in einem Auto mit gestohlenen Kennzeichen auf die beiden gewartet haben, so ein Vertreter der Mainzer Staatsanwaltschaft, die die Anklage führt.

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Seit Ende September ist die Mainzer Staatsanwaltschaft für alle neuen Fälle von Geldautomatensprengungen in Rheinland-Pfalz zuständig. Für ältere Fälle - und dazu gehört die Sprengung in Rheingönheim - führt die Mainzer Staatsanwaltschaft die Anklage, wenn das Landeskriminalamt ermittelt hat.

Flucht mit 181 Stundenkilometern

Was geschah, nachdem die Männer den Einkaufsmarkt verlassen hatten, ist ebenfalls über Kameraaufnahmen dokumentiert. Die Vorsitzende Richterin spielt ein Video ab, das von der Kamera eines Einsatzfahrzeugs aufgenommen wurde. Darauf ist zu sehen, wie das Polizeifahrzeug das Auto mit den gestohlenen Kennzeichen verfolgt, ein Blitzerfoto lässt außerdem erahnen, wie schnell das Fluchtfahrzeug unterwegs war. Eine Radarfalle dokumentierte eine Geschwindigkeit von 181 Kilometern pro Stunde in der 80er-Zone.

Weitere Details zur Flucht erfahren die Verfahrensbeteiligten am Mittwoch aus erster Hand. Erstmals äußern sich die beiden Angeklagten zu den Vorwürfen - und räumen ihre Tatbeteiligung ein. Oussama H. lässt über seinen Verteidiger, den Aachener Rechtsanwalt Christoph Pawlowski, eine Erklärung verlesen.

Darin beschreibt H., dass überall Blaulichter gewesen seien, als er und S. den Rewe-Markt verlassen hätten. Zunächst sei es den Männern und ihrem Fluchtfahrer gelungen, zu entkommen. Er habe einen Polizeihubschrauber gehört, es sei hektisch zugegangen, beschreibt der Angeklagte das Fluchtszenario.

Es war ein „Riesenfehler“

Doch dann seien sie falsch abgebogen und wieder auf ein Polizeiauto gestoßen. Schließlich sei ein Einsatzfahrzeug in die Seite ihres Wagens gekracht. „Ich sprang aus dem Auto und rannte weg“, so der Angeklagte. Er habe sich zunächst versteckt, sich dann aber ergeben. H. bereue die Tat, sagt sein Verteidiger. Alles sei ein „Riesenfehler“ gewesen. Einer, der laut Staatsanwaltschaft einen Gesamtschaden von rund 400 000 Euro angerichtet hat.

Auch Oussama S. sei geflüchtet, sagt sein Verteidiger Ralph Querbach aus Koblenz. Zu Fuß, dann auf einem Fahrrad. Woher er das Rad hatte, dazu möchte sich der Angeklagte auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft nicht äußern. Stunden nach dem Zusammenstoß mit dem Polizeifahrzeug nahmen Beamte auch ihn fest.

Die beiden Angeklagten, die aus dem niederländischen Utrecht stammen und beide marokkanische Wurzeln haben, beschreiben vor Gericht aber nicht nur die Flucht, sie geben zudem einen - wenn auch nur schemenhaften - Einblick in das System hinter den Geldautomatensprengungen. „Ich sage nur etwas zu meinem Tatbeitrag, nichts zu den Hintergründen“, so H. - aus Angst davor, seinen Liebsten könne etwas passieren. Er sei nicht bedroht worden, aber man höre bestimmte Dinge über Menschen, die ausgepackt hätten.

Für 10 bis 15 Prozent

Dann berichtet er, dass Hintermänner die Filiale in Ludwigshafen ausgesucht hätten, weil ihr Standort abgelegen gewesen sei und man dort nicht mit Passanten rechnen musste. Seine Aufgabe habe darin bestanden, den Automaten aufzuhebeln und ein Sprengstoffpaket zu befestigen - und „zu helfen, wo Hilfe nötig gewesen ist“. Er habe Treffpunkt und Uhrzeit erfahren und sei mit anderen nach Ludwigshafen gefahren.

Für den „Job“ sollte er zehn bis 15 Prozent der Bargeld-Summe im Automaten erhalten, sagt H., der mit dem Geld Spielschulden und Bußgelder - wegen verschiedener Verkehrsdelikte - habe begleichen wollen. Doch nicht nur im Straßenverkehr ist H. wegen strafbarer Handlungen auffällig geworden. Beide Angeklagten sind wegen verschiedener Diebstahl- und Verkehrsdelikte vorbestraft, die Richterin Steingart am Mittwoch verliest.

Redaktion

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