Pfalz

Geißbock-Spektakel: Deidesheim und Lambrecht haben Bock

Das historische Geißbock-Spektakel findet an diesem Wochenende wieder mit Festspiel und Versteigerung statt. Woher das älteste Brauchtum in Südwestdeutschland kommt - und was Napoleon damit zu tun hat

Von 
Bernhard Zinke
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Im vergangenen Jahr wurden nach der Pandemie gleich drei Geißböcke versteigert. In diesem Jahr ist der 620. Tributbock an der Reihe. © Stadt Deidesheim

Metropolregion. Das Dekret stammt von Napoleon Bonaparte höchstselbst: Der Tributbock, den Lambrecht für die Weiderechte im Deidesheimer Wald jährlich zu zahlen hat, muss „gut gehörnt und gut gebeutelt“ sein („Un boc bien cornu et bien capable“). Das Dokument mit der Originalunterschrift des Franzosenkaisers liegt im Landesarchiv in Speyer.

Ganz offenkundig hatten die Lambrechter mehrere Jahre lang eher altersschwache Böcke geliefert, was die Deidesheimer auf die Palme brachte und sie sich deshalb beim Kaiser bitterlich beklagten. An diesem Wochenende wird die Geschichte einmal mehr lebendig. Sie ist immerhin eines der ältesten Brauchtümer in Südwestdeutschland. Diesmal wird wieder doppelt gefeiert: in Deidesheim und in Lambrecht,

Geißbock-Festspiel ist in Deidesheim ein Feiertag

Traditionell ist der Dienstag nach Pfingsten Feiertag in Deidesheim. Da haben die Betriebe geschlossen, und die ganze Kommune ist auf den Beinen. Schlag 18 Uhr wird der Lambrechter Tributbock vor dem Deidesheimer Rathaus versteigert, was die Region elektrisiert. Zusätzlich gibt’s diesmal an den beiden Pfingstfeiertagen das Geißbock-Festspiel in Lambrecht. Die unterhaltsame Open Air-Aufführung findet nur alle fünf Jahre statt.

Termine mit Bock

  • Geißbock-Festspiel: Am 28. und 29. Mai, jeweils um 14 Uhr auf dem Tuchmacherplatz in Lambrecht. Der Eintritt kostet im Vorverkauf neun Euro, an der Tageskasse zehn Euro. Am Pfingstmontag wird der 620. Tribut-Geißbock an das Brautpaar übergeben, das den Bock am 30. Mai ab 5.30 Uhr nach Deidesheim führt.
  • Geißbock-Versteigerung: Am 30. Mai ab 17.45 Uhr vor dem Rathaus. Das Programm beginnt ab 15 Uhr. 

Aktuell laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, bestätigt der Lambrechter Bürgermeister Karl-Günter Müller. Seit Anfang April werden die Bühne und das Festspielgelände auf dem Tuchmacherplatz hergerichtet. Die Proben laufen auch längst. Immerhin gibt es 120 Mitwirkende, darunter 40 Sprechrollen. Früher sei das Stück jährlich aufgeführt worden. Aber das sei ein Riesenaufwand gewesen. Deshalb hatten sich alle Beteiligten vor knapp 30 Jahren darauf verständigt, das Festspiel im Fünf-Jahres-Turnus auszurichten. „Dann freuen sich alle auch richtig darauf“, so Müller.

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Video: Geißbock-Festspiele in Lambrecht

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Die Veranstaltung kostet 40 000 Euro

Damit verbunden ist nämlich nicht nur ein enormer Kraftakt für Darsteller und Techniker, sondern auch eine finanzielle Anstrengung. Immerhin schlagen die Ausgaben in diesem Jahr mit 40 000 Euro zu Buche. Das seien freiwillige Leistungen und keine Pflichtaufgabe. Bei einem defizitären Haushalt müsse ganz genau hingeschaut werden, wofür das Geld ausgegeben werde. Weil’s eine Freiluftveranstaltung ist, steht und fällt der Erfolg zudem mit dem Wetter. Vor zehn Jahren habe man die Aufführung am Pfingstmontag ganz absagen müssen, 2018 habe am Sonntag während des Spiels der Regen eingesetzt, dafür sei der sonnige Montag mit bis zu 1800 Zuschauern super besucht gewesen.

Geißbock-Festspiele: Das Stück ist fast 100 Jahre alt

Gespielt wird wieder das Stück, das der Lambrechter Autor Ernst Schäfer in den Jahren 1931 und 1932 geschrieben hat und das 1934 erstmals aufgeführt wurde. Es wurde nach dem Krieg um zwei Szenen erweitert, unter anderem mit dem Auftritt Napoleons. Insgesamt hat der Autor die rund 1000-jährige Geschichte von Lambrecht in ein Bühnenstück gefasst – von der Gründung des Klosters St. Lambrecht über den Streit um die Weiderechte zwischen Lambrecht und Deidesheim bis zum Krach um die Qualität des Bocks und die verspätete Übergabe.

Der Fußmarsch nach Deidesheim ist jedes Jahr ein großer Auflauf. © Venus

In Wirklichkeit werde der Bock auch in diesem Jahr gut gehörnt und gut gebeutelt sein, verspricht der Lambrechter Bürgermeister. Ein Züchter werde dafür sorgen, dass es dem Tier auch wohl ergeht. Übergeben wird der 620. Tributbock nach der Aufführung des Festspiels am Pfingstmontag traditionell an das Brautpaar, das zuletzt in Lambrecht geheiratet hat. Am Dienstag geht’s um 5.30 Uhr auf den knapp 14 Kilometer langen Fußmarsch durch den Wald nach Deidesheim.

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Begleitet werden Brautpaar und Bock wohl wieder von mehreren Hundert Menschen aus Lambrecht und Deidesheim, die sich den Spaß nicht nehmen lassen. Dafür fahren sogar mehrere Busse in aller Frühe von der Weinstadt zu den Nachbarn, berichtet der Deidesheimer Tourismus-Chef Stefan Wemhoener. An der Stadtgrenze wird der Viehhofmeister ein erstes kritisches Auge auf den Bock werfen, wenig später auch das Stadtgericht, das vorm Rathaus ebenfalls erstmals tagt.

Versteigerung ab 17.45 Uhr

Das Hauptprogramm auf der Bühne beginnt um 15 Uhr mit verschiedenen Darbietungen und der Verhandlung des Stadtgerichts. Die Versteigerung beginnt um 17.45 Uhr, der Zuschlag ergeht mit dem Glockenschlag der Kirchturmuhr um 18 Uhr. Der Höchstbieter muss den Betrag direkt und in bar abliefern, betont Wemhoener. In den vergangenen Jahren erlöste der Bock zwischen 3000 und 6000 Euro, die zur Refinanzierung des Festes verwendet werden. Ersteigert wird der Bock oft von Geschäftsleuten, die ihrerseits mit dem Tier werben. Auch der 1. FC Köln hat im Meisterjahr 1978 einen Bock ersteigert. Eine Abordnung aus Deidesheim schaut übrigens auch Monate nach der Versteigerung nach, ob der Bock weiterhin gut gehörnt und gebeutelt dasteht.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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