Wirtschaft und Verkehr

Endgültig: Selbst Mannheimer Handel rückt von neuer Rheinbrücke ab

Ist Mannheims Status als Oberzentrum gefährdet? Engelhorn-Aufsichtsrat Hilgenstock ist kein Pessimist, mahnt aber Turbo-Investitionen in alte Infratstruktur an.

Von 
Stephan Alfter
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Eine schnelle und umfassende Sanierung der beiden Brücken zwischen Mannheim und Ludwigshafen wünschen sich Einzelhändler aus Mannheim. © ACHIM KEIPER

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Einzelhandel in Mannheim leidet unter der maroden Infrastruktur und dem Online-Geschäft.
  • Andreas Hilgenstock sieht Neubau einer Rheinbrücke bei Altrip als nicht notwendig für die Stadt an.
  • Er schlägt smarte Alternativen wie eine Seilbahn oder Fußgängerbrücke vor.

Rhein-Neckar. Wie sieht Wohlstandserhalt aus, der sich gleichzeitig mit unserer Umwelt und sich rasant digitalisierenden Städten verträgt? Das ist eine der wesentlichen Fragen, mit denen sich neben der Politik auch der Mannheimer Handel beschäftigt. Engelhorn-Gesellschafter Andreas Hilgenstock und seine Kollegen im vor 14 Monaten gegründeten Eigentümer-Netzwerk City-Net wurden in den vergangenen Wochen aufs Neue mit einer Debatte konfrontiert, die Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) auf dem „Metrogipfel“ dreier Stadtchefs aus Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg unlängst als „Schattendiskussion“ bezeichnet hat. Der Mannheimer Morgen hatte zu dieser Verantaltung ins Technosuem eingeladen. Es ging dabei unter anderem mal wieder um die dritte Rheinbrücke von Altrip nach Neckarau, die kein geringerer als IHK-Rhein-Neckar-Präsident Manfred Schnabel erneut von der Politik gefordert hatte.

80 Prozent der Kunden bei Engelhorn nicht aus Mannheim

Für den Mannheimer Handel ist das ein sensibles Thema. Denn es geht im Kern um die Frage, in welcher Weise die Quadratestadt für Hunderttausende Kunden zwischen Frankfurt und Stuttgart der attraktivste Platz zum Einkaufen bleiben kann. Andreas Hilgenstock benutzt gerne den etwas technokratischen Begriff Oberzentrum, um auszudrücken, dass es hier etwas zu verteidigen gibt. Gewisse Ängste, dass das aufgrund maroder Infrastruktur nicht gelingen könnte, kann er nicht verbergen. Die Hochstraßenkrise ist ja weiterhin nicht gelöst.

Engelhorn-Aufsichtsrat Andreas Hilgenstock ist auch Vorsitzender des Vereins City-Net. Er hält die Diskussion über eine neue Rheinbrücke für Zeitverschwendung. © Andreas Hilgenstock

„80 Prozent unserer Kunden bei Engelhorn kommen nicht aus Mannheim“, unterstreicht Hilgenstock, der sich bewusst ist, dass die Mannheimer Planken schon lange kein unangefochtener Platz für Rekordumsätze mehr sind. Und das, obwohl ihm und seinen Kollegen viel daran gelegen ist, die Aufenthaltsqualität deutlich zu steigern. „Mehr Grün und kostenlose Straßenbahnen im Innercircle“, wünscht sich das Netzwerk beispielsweise.

City-Net kooperiert eng mit dem städtischen Entwicklungsprojekt „Futurraum“, um beispielsweise zu einer gleichberechtigten Mobilität zwischen Autofahrern, Radlern und Fußgängern zu gelangen und Durchgangsverkehr herauszuhalten. Erlebnisse und Events sollen in die Stadt. Nicht allein der Handel, sondern auch die kulturellen Leuchttürme wie Nationaltheater, Kunsthalle, Museen oder Rosengarten sollten profitieren, sagt Hilgenstock.

Vision für Mannheimer Innenstadt im Jahr 2040

Es sind vor allem der Online-Einkauf, aber auch die Folgen von Corona und Krieg, die dem stationären Einzelhandel das Leben schwer machen. Extreme Stimmen fordern, Innenstädte wieder stärker dem Wohnungsmarkt zu überlassen. Wiederum andere rufen lautstark nach mehr Entsiegelung und die Freilegung kleiner Bäche zur Abkühlung zugepflasterter Citys.

Hilgenstock ist dagegen überzeugt, dass die real existierende Einkaufs- und Kulturstadt auch im Jahr 2040 noch ihre Berechtigung hat - trotz harter Verwerfungen und Disruptionen. „Das Oberzentrum leidet vielleicht, aber es lebt und wächst“, sagt er über steigende Bevölkerungszahlen in Mannheim. „Pulsierendes Leben“, stellt er sich sich für das Jahr 2040 in der Innenstadt vor - „am besten emissionsfrei“, fügt er hinzu. Kaputte Infrastruktur wie die beiden Rheinbrücken nach Ludwigshafen könne man da nicht gebrauchen. Sein frommer Wunsch für die hoffentlich bald frisch sanierten Trassen: „Autonomer Verkehr, der sich per KI selbst kontrolliert.“ Schwerverkehr von außerhalb müsse über A6 und A61 geleitet werden, der wichtige Hafenverkehr langfristig am ehesten über die Kurt-Schumacher-Brücke. „Ich bin aber kein Ingenieur“, sagt Hilgenstock.

Wer ist City-Net

  • City-Net hat sich im Dezember 2023 als Verein gegründet.
  • Dabei handelt es sich um 26 Eigentümer von Kernimmobilien in den Bereichen Planken, Breite Straße, Freßgasse und Kunststraße.
  • City-Net kooperiert über das Projekt Futurraum mit der Mannheimer Stadtverwaltung. Nach den Worten des City-Net-Vorsitzenden Andreas Hilgenstock ist das einzigartig in Deutschland.
  • City-Net fügt der Stadt eine neue Perspektive bei der Innenstadtentwicklung hinzu. „Wir denken in Generationen und wollen Planungssicherheit“, sagt Hilgenstock. sal

Interessant ist bei alle dem, dass City-Net, im Gegensatz zu früheren Forderungen aus dem Mannheimer Handel, nicht mehr auf eine weitere Rheinbrücke setzt. Anders als der zuweilen wortgewaltige IHK-Präsident, trägt der City-Net-Vositzende seine Wünsche folgendermaßen vor. „Ich möchte niemanden aufhalten, aber wir sind der Meinung, dass die zwei Brücken völlig ausreichen.“ Mit Blick auf Altrip sagt er: „Ein Naturschutzgebiet muss geschützt bleiben, und auch die Bürgerschaft dort.“ Das sind neue Töne. Hilgenstock sagt zur Altriper Brückendiskussion auch, dass sie unnötig Zeit koste und von den Hauptaufgaben ablenke. Diese hießen: Bestehende Rheinbrücken schnell und umfassend sanieren. Dazu gebe es viele Chancen: Den Mobilitätspakt seit 2019 und eine neu zu gründende Brückengesellschaft etwa. „Wir müssen jetzt die Verantwortlichen beim Wort nehmen“, so der Engelhorn-Aufsichtsrat.

Wunsch: Fußgängerbrücke zwischen Lindenhof und Parkinsel

Wie wichtig die Rolle des ÖPNV und konkret der Straßenbahn ist, belegen Zahlen: „Seit der Einstellung des Straßenbahnverkehrs über die Konrad-Adenauer-Brücke sind die Fahrgastzahlen deutlich gesunken“, ließ sich der technische Geschäftsführer der RNV, Martin in der Beek, unlängst zitieren. Statt 35.000 fahren täglich nur noch 25.000 Menschen über den Rhein.

Was Alternativen zum Auto anbelangt, hat Hilgenstock auch eigene Ideen. Eine Fußgänger- und Fahrradbrücke zwischen Lindenhof und Parkinsel hielte er für eine Attraktion. Ebenso wie eine Seilbahn über den Fluss. „Alles, was uns smart über den Rhein bringt, ist begrüßenswert“, sagt er. „Wir müssen aber den Turbo einsetzen“, so sein Appell. Damit der Patient namens Innenstadt nicht eines Tages stirbt.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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