Neustadt/Speyer. Er habe öfter mal geweint in den vergangenen Tagen, sagt Daniel Fleischmann mit Blick auf das, was sich im Leben seiner vierköpfigen Familie gerade abspielt. Seit mehr als einer Woche hängen seine zwei Töchter, seine Frau und er selbst daheim fest. Corona hat sie ereilt - trotz Impfung. Milde Verläufe sind es allesamt, und so bleibt auch ein klein wenig Zeit, sich Gedanken zu machen über die Hilfsbereitschaft und Solidarität, die seinen Liebsten gerade zuteil wird.
Es ist sechs Jahre her, und der 46-jährige Fleischmann erinnert sich sehr genau an die Stunden, die das Leben der gesamten Familie damals völlig verändern. Tochter Frieda kündigt sich an, als die Fruchtblase in der 34. Schwangerschaftswoche platzt. Als das Mädchen elf Tage später im Speyerer Diakonissen-Stiftungskrankenhaus das Licht der Welt erblickt, ist recht schnell klar, dass etwas nicht stimmt. Ein Keim hat sich in der Gebärmutter auf das Kind übertragen und nach vorliegenden Erkenntnissen eine Sepsis ausgelöst, die auch die Blut-Hirn-Schranke überwand. Resultat ist eine hundertprozentige Schwerbehinderung durch einen maximalen Hirnschaden. „Stellen Sie sich auf schwerste Beeinträchtigungen ein“, teilt ein Arzt den Eltern, die mit Paula bereits eine gesunde Tochter haben, wenige Tage nach der Geburt mit. Noch immer setzen sie sich gerichtlich mit der Frage auseinander, ob es eine Verantwortlichkeit bei Medizinern gibt.
Was schwerste Beeinträchtigungen sind, wissen Daniel Fleischmann und Jutta Henkel heute. Frieda kann nicht sitzen, nicht laufen und auch nicht alleine liegen. Sie kann auch nicht sprechen. Ernährt werden muss Frieda über eine Magensonde. Ihre Umgebung versucht aus ihren mitteilsamen Augen zu lesen. Sie muss ständig gelagert werden - alles andere wäre wohl ein Todesurteil. Und dennoch gebe ihre Tochter ihnen Zuversicht. „Ich bin vom Leben gezwungen worden, da hin zu schauen“, sagt Fleischmann, der ein positiver Mensch geblieben ist und der sich über Anteilnahme sehr freut.
150 000 Euro Gesamtkosten
Denn: Mit sechs Jahren wird Frieda nicht nur für ihre Mutter langsam etwas zu schwer, wenn es etwa darum geht, sie die Treppen hinaufzutragen. Die Lösung verspricht sich die Familie von einem Außenaufzug an ihrem Haus im Neustadter Ortsteil Geinsheim. Dafür haben sie vergangene Woche eine Spendenaktion gestartet. Aus eigenen Mitteln können sie etwas mehr als 60 000 Euro aufbringen, ein Lift würde letztlich aber etwa 150 000 Euro kosten. Als Fleischmann sich per Facebook an die Öffentlichkeit wendet, ist ihm nicht bewusst, welche Welle an Solidarität er auslösen würde. Inzwischen seien rund 25 000 Euro zusammengekommen.
Etwas über 80 000 Euro an Spenden würden ihnen helfen, das Leben deutlich zu erleichtern. Beide sind berufstätig. Fleischmann ist in Teilzeit Leiter des Ordnungsamts der Stadt Speyer und zudem Profi-Schlagzeuger - zwei Bereiche, die er streng trennt. Seine Frau Jutta Henkel arbeitet - ebenfalls in Teilzeit - bei der Deutschen Rentenversicherung in Speyer. Ein Kinderpflegedienst verschafft ihnen ein wenig persönliche Freiheit. Im Haus selbst gibt es keinen Platz für einen Lift. Im oberen Geschoss seien Schlafzimmer, Badezimmer und Kinderzimmer - mit dem Rollstuhl schwierig zu erreichen. Die Lösung wäre der Außenlift, der innerhalb von sechs Monaten an das Haus gebaut werden könnte. Das Neustadter Architekturbüro Michael Gooss würde die Planungen übernehmen.
Kuchenaktion im ganzen Ort
Am Wochenende hat die Familie erlebt, wie es ist, wenn ein Ort zusammenhält. Eine Kuchenverkaufsaktion in Geinsheim, die von vielen unterstützt wurde, habe über 1000 Euro eingebracht. „Uns erreicht aber viel mehr als nur Geld“, beschreibt Fleischmann eine aufregende Woche. Kinder, die sie gar nicht kennen würden, hätten Bilder gemalt, die sie zusammen mit Frieda zeigten. So viele liebevolle und herzliche Nachrichten seien ihnen zugegangen. Fast 500 Menschen hätten bei den Spenden jetzt schon mitgemacht - darunter befreundete Musiker aus der Region und aus Mannheim, die durch Corona selbst in einer schwierigen Situation seien.
Spenden im Internet unter: gofundme.com/friedaslift
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