Festivalkritik

Der "neue Falco" räumt auch in Mannheim voll ab

Beim ersten Tag des Zwei-Bühnen-Festivals Elektrik Pony Cup ragt der österreichische Sänger und Rapper Bibiza aus einem starken Programm noch heraus

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Zum niederknien: Der Wiener Rapper Franz Bibiza in der Alten Feuerwache. © Klotz

Die Rückkehr des Elektrik Pony Cup (EPC) in die Neckarstadt ist fast ein voller Erfolg: Das Programm der kleinen Festival-Schwester des Maifeld Derbys ist bei der dritten Auflage so gut besetzt wie noch nie. Dementsprechend ist die Stimmung am Freitagabend; hervorragend. Auch das Konzept mit Hauptbühne in der Alten Feuerwache (AFW) und der Alternastage im Jugendkulturzentrum Forum bewährt sich. Das Wandern zwischen den Häusern hat tatsächlich etwas von einer Miniaturausgabe von Rock am Ring. Nur dass man nicht durch eine gigantische Festivallandschaft voller Menschenmassen marschiert, sondern durch ein Parkhaus.

Heidelberger Band John Doe macht Appet auf neues Album

Gleich zu Beginn überzeugen die Heidelberger Indie-Rocker John Doe mit ihren handwerklich sehr gut gebauten Songs. Die kommen teilweise funky-tanzbar daher. Der Sound des Quartetts ist reifer und kompakter als etwa bei ihrem Debüt beim Maifeld Derby vor der Pandemie. Sie müssen sich jedenfalls nicht vor dem fast zu perfekten Indiepop der nachfolgenden Cinemagraph verstecken. So darf man gespannt sein, auf das neue Album, das John Doe zurzeit produzieren. Einige neue, noch namenlose Lieder machen schon mal Appetit.

Nils Keppel aus Kandel mit Underground-Appeal

Auf der kleineren, dunkleren, schlichteren Bühne im Forum entwickelt sich teilweise echtes Underground-Feeling. Vor allem als der endlich mit Band auftretende Kandeler Nils Keppel eine aggressivere, punkigere Variante der Neo-Neuen-Deutschen-Welle (NNDW) aufführt. Von der sich der junge Joachim Witt eine Scheibe hätte abschneiden können. Das wirkt roh und aufregend wie Clubs im Berlin der frühen 1980er Jahre. Dabei klingen Songs wie „Wellblech“ oder „222“ nach Hitmaterial.

Power Plush bieten danach eine eingängigere Show, bevor zum Programmschluss Mia Morgan härtere Töne anschlägt und mit sehr poppigen Girlie-Refrains verbindet. Sie ist bekannt durch eine millionenfach geklickte Kooperation mit Kraftklub, hat aber selbst auch Hits 2ie „Waveboy“, die in Mannheim inbrünstig mitgesungen werden. Die Kasselanerin beendet die Nacht im Forum mit einem Moshpit.

Am entspanntesten ist die Stunde mit Zimmer90 im AFW-Saal. Der Elektro-Indie-Dreampop des Stuttgarter Trios ist anheimelnd wie eine alte Beloved-Platte und funktioniert für ein Publikum aller Altersklassen. Auf Dauer ist es halt nur gefällige Ibiza-Disco für Studierende.

"Leiwandes" Publikum in der Alten Feuerwache

Vielleicht wird dieser prinzipiell hochklassige Auftritt auch nur grell überstrahlt. Denn was der Wiener Franz Bibliza mit seiner Band danach abreißt, ragt mit großem Abstand aus dem sehr guten Programm des ersten Festivaltags heraus. Man konnte die Vorschusslorbeeren á la neuer Falco vorab milde belächeln. Aber der 24-jährige Rapper brennt an beiden Enden tatsächlich ähnlich intensiv wie der früh gestorbene Austropop-Weltstar. Obwohl er im Vergleich noch etwas welpenhaft wirkt, schaukeln sich er, seine Musiker und das teilweise extrem textsichere Publikum, das sich Biblizas Ritterxchlag „leiwand“ verdient, zu einem seltenen Konzert-Exzess hoch. Selbst Wanda wirken dagegen fast wie eine Klosterschulband. Die energetisch gerockten Rap-Songs über Kokain, Wien und Frauen voller starker Basslinien mögen sich mit Ausnahme von zwei, drei Balladen stark ähneln. Aber Lieder wie „Opernring Blues“, „Alkoholiker“, „KiK“, „Eine Ode an Wien“ oder „Femme Fatale“ haben mehr als nur coolen Falco-Schmäh und passen perfekt in den NNDW-Trend.

Also: Warum ist der diese EPC-Auflage nur fast ein voller Erfolg? Weil das Kartenkontingent erst auf den letzten Metern halbwegs ausgereizt wurde. Und das, obwohl allein Bibliza sowie die Samstags-Attraktionen Paula Carolina und Alli Neumann die Feuerwache ziemlich gut füllen würden. Jeder für sich allein. Zu einer Musikstadt gehören nicht nur Unesco-Eitiketten, sondern auch ein Publikum, das Qualität erkennt und nutzt.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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