Speyer. Museumsdirektor Alexander Schubert hat sich am Donnerstagmorgen etwas anders gekleidet, als er das üblicherweise tut. Das stattliche Herrenhemd, das er sonst unter seinem „Blue-Velvet-Jackett“ trägt, ist einem T-Shirt gewichen. Darauf sind Figuren zu erkennen und erst bei näherem Hinsehen fällt auf, dass es Zeichnungen sind, die den Kinderbüchern von Ingo Siegner entsprungen sind: „Auf nach Speyer“ steht über den Köpfen der Fantasiekreaturen auf Schuberts Brust. Sicherlich angelehnt an ein Zitat aus Goethes Werk „Götz von Berlichingen“, wo es heißt: „Macht Euch auf nach Speyer.“ Der Kleine Drache Kokosnuss ist jedenfalls unterwegs in die Domstadt, wo er sich am Samstag dem Eröffnungspublikum präsentiert. Offen ist, ob mit oder ohne Feuerstrahl.
In Zehntausenden Kinderzimmern in Deutschland ist der kleine Drache schon mehr als 20 Jahre daheim. Nun also auch in einem Geschichtsmuseum, das erstmals zwei Familienausstellungen parallel zeigt, nachdem die Playmobil-Schau am selben Ort aufgrund eines hohen Publikumsinteresses verlängert wurde. Immer wenn in Speyer eine Kinderfigur den Weg ins Museum findet, dann geht es nicht nur darum, dass sie die Fantasie des Publikums beflügelt. Nein, es geht immer auch um Vermittlung von Geschichte, von Werten und letztlich auch um Pädagogik. Das war bereits vor 19 Jahren so, als mit Tabaluga schon einmal ein kleiner Drache Teil einer Ausstellung war. 2005 war das erfolgreich. Und war Tabaluga nicht der, der auf seiner Reise zur Vernunft allen möglichen anderen Wesen begegnet und von ihnen etwas lernt? Die Liedermacher Peter Maffay und Rolf Zuckowski hauchten der Figur, die Kultstatus erreichte, 1983 Leben ein. Der neue Tabaluga heißt nun Kokosnuss. Um ihn dreht sich alles in der Mitmachausstellung, die bis 22. Juni 2025 zu sehen ist. Zusammen mit dem Stachelschwein Matilda und dem vegetarischen Fressdrachen Oskar landet der freche Feuerdrache wie durch Zauberhand in einem „verlassenen Museum“.
Kinderbuch-Figuren erleben Steinzeit, Römer und Mittelalter
Das verlassene Museum ist dieses Mal in Speyer. Hier begeben sich die beliebten Kinderbuch-Figuren bei ihrer Suche nach dem Heimweg zur Dracheninsel auf eine Erkundungsreise: Sie erleben die Steinzeit, treffen Römer, erobern eine Ritterburg, kapern ein Piratenschiff und besuchen eine geheimnisvolle Grabkammer. An zahlreichen interaktiven Stationen erfahren Kinder im Erstlesealter nicht nur viel Wissenswertes, etwa dass die ältesten Steinzeitmenschen vor gut 10 000 Jahren lebten. Sie können auch spielen, basteln, in Kinderbüchern lesen - oder in der Küche von Hexe Rubinia werkeln. Dort stehen zum Kochen bereit: gebratene Krähenkrallen, Blutegel in Pfefferminzsoße und sauer eingelegte Regenwürmer.
Spielerisch können Kinder auch etwas über den Totenkult der alten Ägypter oder den Alltag der Menschen im antiken Rom lernen: Auf der Dracheninsel angekommen können sie schließlich verkleidet ein Foto von sich machen.
Der T-Shirt tragende Museumsdirektor ist überzeugt, dass Kokosnuss perfekt ins Historische Museum passt. Erstens, weil er mit seinen Erfahrungen von Freundschaft, Teamgeist und Mut Kinder stark machen kann. Zweitens, weil er Kindern erste Begegnungen mit verschiedenen Epochen der Geschichte ermöglicht. Und drittens, weil er die Eltern animiert, ihren Kindern vorzulesen und auf diese Weise Lesekompetenz fördert.
2014 erschien der Kinofilm „Der kleine Drache Kokosnuss“
32 Bände umfasst das Werk Ingo Siegners über den kleinen Drachen, der Kindern auch einen guten Umgang mit eventuellen Ängsten vermittelt. Siegner ist Autodidakt. Henrike Serfas, Ausstellungskuratorin für das Junge Museum, erzählte, dass die Kinderbuch-Karriere des heute 59-Jährigen eher zufällig begann, als er für einen Nachbarsjungen eine Geschichte um einen kleinen Drachen erfunden und diese illustriert habe. Die positive Resonanz habe ihn ermutigt, sich weitere Abenteuer auszudenken. Ein Literaturagent sei auf ihn aufmerksam geworden und habe ihn mit einem Verlag zusammengebracht. 2014 erschien der Kinofilm „Der kleine Drache Kokosnuss“.
Heute gilt Siegner als einer der beliebtesten Kinderbuch-Autoren Deutschlands. Auch weitere seiner Figuren wie die Rattenkinder Eliot und Isabella sowie die kecken Erdmännchen Gustav, Rocky und Pauline sind in der Ausstellung in Speyer vertreten. Zu sehen sind sie auch auf dem T-Shirt des Museumsdirektors. Mal sehen, ob er es zur Ausstellungseröffnung am Samstag wieder anzieht . . .
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