Pro-Stimme »Wir Menschen – und mit uns unsere Haustiere – sind den Wildtieren zu sehr auf die Pelle gerückt«
Das schon mal vorneweg: Ich liebe Katzen, hatte im Lauf meines Lebens drei tolle Charakter-Tiere. Alle waren Freigänger. Und ich muss zugeben: Auch sie brachten mir Mäuse, Vögel, einmal sogar eine Taube und ein Kaninchen-Baby. Als die eine – unsere erste – mit einem Vogelküken nach Hause kam, behielten wir sie einige Zeit in der Wohnung. Es war hart.
Trotzdem habe ich Verständnis für die Maßnahme des Rhein-Neckar-Kreises. Wir Menschen – und mit uns unsere Haustiere – sind den Wildtieren zu sehr auf die Pelle gerückt. Immer mehr Böden werden versiegelt, intensiv bewirtschaftete Felder lassen kaum Wildtierleben zu. Katzen streunen durch Naturschutzgebiete, Hunde werden dort viel zu oft von der Leine gelassen. Einige Wildtiere trifft dies besonders hart. Etwa die Haubenlerche, die auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten ganz oben steht.
Natürlich gibt es auch in der Natur Raubtiere. Marder und Füchse etwa. Doch wenn der Mensch nicht eingreift, besteht zwischen ihnen ein Gleichgewicht. Sie alle müssen kämpfen, haben kein schützendes Zuhause, keinen Dosenöffner, keinen Tierarzt. Unsere Hauskatzen schon. Gelangen sie in großer Zahl in das sowieso schon instabile System (Stichwort: intensive Landwirtschaft) haben die Haubenlerchen noch weniger Überlebenschancen. Deswegen: Ja, in der Brutzeit müssen wir vom Aussterben bedrohte Tiere schützen, zur Not mit einem Hausarrest für Freigänger. Einmal ausgestorben, können wir die Haubenlerche nicht zurückholen.
Kontra-Stimme »Es ist viel zu kurz gedacht, Katzen zum „Buhmann“ für eine verfehlte Landwirtschafts- und Tierschutzpolitik zu erklären«
Nur wer einen ziemlichen Vogel hat, würde dagegen sein, die letzten Exemplare der Haubenlerche einfach so ihrem Schicksal und damit einer instinktiv jagenden Katze zu überlassen. Aber: Die Frage sei bitte erlaubt, ob wir das so tun müssen, wie wir das in Deutschland derzeit so oft tun? Oder ob wir bereit sind, endlich mal das große Ganze in den Blick zu nehmen. Auf dieser Welt hängt alles mit allem zusammen. Nichts hat uns das besser vor Augen geführt als die Corona-Pandemie. Man muss es nämlich so radikal sagen: Nicht die dummen Katzen sind schuld an der Situation, sondern wir – die dummen Menschen.
Es ist nämlich tatsächlich viel zu kurz gedacht, Katzen zum „Buhmann“ für eine verfehlte Landwirtschafts- und Tierschutzpolitik zu erklären. So jedenfalls argumentiert die Tierschutzorganisation Peta und liegt damit absolut richtig. Es ist die Intensiv-Landwirtschaft, die der Haubenlerche quasi den Garaus gemacht hat. Jetzt die Katzen in Südwalldorf einzusperren, das mutet ungefähr so an, wie wenn jemand versuchen würde, Manneken Pis aus Brüssel zum Buschbrand in Australien einzufliegen. Wer die Haubenlerche erhalten oder eines Tages wieder ansiedeln will, muss ihr die entsprechenden Flächen zur Verfügung stellen. Ein nachhaltiger Weg, die Gefahr, die von Katzen ausgeht, zu reduzieren, ist das Vorhaben des Rhein-Neckar-Kreises, eine Kastrationspflicht für Freigänger zu beschließen. Außerdem: Der größte Katzenfreund ist manchmal der, der sich keine anschafft. Es gibt zu viele.