St. Leon-Rot - Initiative gegen Bebauung des Anwesens Kramer-Mühle / 500. Referendum in der Geschichte Baden-Württembergs

Bürger fällen historische Entscheidung

Von 
Julian Eistetter
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Im Juli stimmen die Bürger in St. Leon-Rot über die Zukunft der Mühle ab.

© Purkott

St. Leon-Rot. Es ist ein kleiner Meilenstein in der Geschichte Baden-Württembergs, der da in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats von St. Leon-Rot (Rhein-Neckar-Kreis) gesetzt wurde. Einstimmig beschloss das Gremium den 500. Bürgerentscheid im Bundesland seit dem Jahr 1956. Damals hatte der neu gegründete Südwest-Staat als erstes aller Länder die Möglichkeit eines solchen Referendums eingeführt. Das teilte der Verein Mehr Demokratie, der genaue Statistiken über alle Bürgerentscheide führt, gestern mit.

Hintergrund ist ein Bürgerbegehren gegen die geplante Bebauung des Geländes der alten Kramer-Mühle unter dem Motto "Rettet die Mühlenwiese". Auf dem historischen Anwesen im Gemeindeteil St. Leon, das vor mehr als 500 Jahren errichtet wurde, sollen Sozialwohnungen entstehen. "Ursprünglich hatte Bürgermeister Alexander Eger dem Gemeinderat empfohlen, das Gelände zum Bau von Unterbringungen für Flüchtlinge zu kaufen", berichtet Albert Weinlein, Vorstand des Freundeskreises Kramer-Mühle und Mitinitiator der Initiative. "Als sich die Flüchtlingsproblematik 2016 aber entspannte, entschied man, dort günstige Wohnungen für Einheimische zu errichten."

Viele Bürger, gerade aus St. Leon, seien der Meinung, dass das Anwesen dafür zu schade ist. "Es gibt andere Orte, an denen Sozialbauten entstehen können", so Weinlein. Die Gegner gründeten die Bürgerinitiative und reichten ein Begehren bei der Verwaltung ein. Das Landratsamt Heidelberg und der Gemeinde- und Städtetag Baden-Württemberg prüften den Antrag und gaben grünes Licht. Am Dienstag wurde das Bürgerbegehren vom Gemeinderat als zulässig erklärt. Am Sonntag, 2. Juli, können nun 10 800 wahlberechtigte Menschen in St. Leon-Rot über die Zukunft der Mühle entscheiden.

Viele Befürworter

"Wir sind begeistert, dass wir in kürzester Zeit mehr als doppelt so viele Unterschriften wie nötig für unser Anliegen sammeln konnten", freut sich Weinlein über 2308 Befürworter. "Mit dem Erwirken eines Bürgerentscheids entgegen des ursprünglichen Beschlusses des Gemeinderats haben wir einen entscheidenden Schritt in Richtung unseres Ziels gemacht." Die Initiative setzt sich für eine rein bürgerliche Nutzung des Gebäudes ein. "Aus der Scheune wollen wir einen Veranstaltungssaal machen und im Wohnhaus könnten wir uns ein Bürgerzentrum vorstellen, in dem auch die neue Mediathek angesiedelt ist", so Weinlein. Dem Referendum sieht der Rentner optimistisch entgegen. Das Thema habe eine große Eigendynamik entwickelt. Dass es sich um den 500. Bürgerentscheid im Land handelt, habe er mit einem Schmunzeln aufgenommen. "Uns geht es vielmehr um den Sachverhalt als solchen", sagt er.

Erfreut über das inoffizielle Jubiläum ist hingegen der Bürgermeister der Gemeinde, Alexander Eger. "Das ist schon etwas Besonderes", sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Dabei hatte er im Oktober 2016 selbst für die Bebauung der Mühlenwiese gestimmt. Im Bürgerentscheid sieht er aber ein normales politisches Instrument: "Es kann immer sein, dass eine Entscheidung des Gemeinderats mal nicht die Meinung der Bürger trifft. Nun liegt alles bei ihnen."

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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