Ludwigshafen. Im vergangenen Jahr mussten in der Grundschule Gräfenau 39 von 126 Schülern die erste Klasse wiederholen und in diesem Jahr 37 von 147. Das hat überregional für Schlagzeilen gesorgt. Viele bezeichnen ihren Standort im Hemshof als sozialen Brennpunkt. Etwa 90 Prozent der Schüler haben Migrationshintergrund. Laut Schulleiterin Barbara Mächtle sprechen viele Kinder schlecht Deutsch oder kommen aus bildungsfernen Familien. Zudem fehle es in vielen Familien an Struktur, so dass es den Kindern schwerfalle, Strukturen des Schulalltages anzunehmen. Auch andere Grundschulen in Ludwigshafen haben besonderen Förderbedarf.
Außerschulische Angebote sollen Familien einbinden
Laut einer Pressemitteilung der Stadt Ludwigshafen sollen die Grundschule Gräfenau sowie die Goetheschule Nord, die Erich-Kästner-Schule und die Grundschule an der Blies jetzt Unterstützung erhalten. Seit Beginn des Schuljahres nehmen die Grundschulen am Modellprojekt „Familiengrundschulzentren als multiprofessionelle Orte in der Schule (FamOS)“ teil. Laufen soll das Projekt zunächst bis zum Jahr 2026. Jeweils zwei Grundschulen teilen sich dabei ein Familiengrundschulzentrum (FGZ). Erfahrene Träger wie das Jugendhilfezentrum Worms und das Ludwigshafener Zentrum für individuelle Erziehungshilfen (LuZie) koordinieren die Umsetzung.
Das Programm einer FGZ soll die ganze Familie ansprechen. Kinder, Eltern und weitere Familienangehörige können dort Bildungs-, Beratungs- und Freizeitangebote nutzen. Dazu gehören beispielsweise Hausaufgabenhilfe oder Sprachkurse für Eltern. Oder auch Sprechstunden, Schuldenberatung oder Kochkurse für gesunde Ernährung. Soziale und kulturelle Angebote wie Nähkurse oder Selbstverteidigung sollen positive Erlebnisse ermöglichen und soziale Kompetenzen und Vernetzung fördern.
Die Schule soll zu einem sozialen Mittelpunkt im Stadtteil werden. Dadurch soll sie die Entwicklung der Kinder in enger Zusammenarbeit mit den Eltern und der Gemeinschaft unterstützen. Umgesetzt werden soll das mit Hilfe einer Halbtagsstelle, die für zwei Schulen zuständig ist.
Nach Angaben der Stadt sollen die Angebote für Eltern und Kinder so leicht wie möglich zugänglich sein. Eine Mitarbeiterin soll als Koordinationskraft diese Angebote für Eltern, Kinder und Familien entwickeln und den Kontakt zu Eltern aufbauen und halten. Bei der Umsetzung von konkreten Maßnahmen unterstützen dann beispielsweise Träger und Vereine.
Motivation der Eltern wohl größte Herausforderung
Auch wenn Mächtle das Projekt als Chance für die Gräfenauschule begreift, so sieht sie eine große Schwierigkeit darin, „die Eltern zu motivieren, bei den Angeboten mitzumachen“. Auch sei die Sprachbarriere weiterhin problematisch, da sich viele Eltern nur mit Hilfe eines Übersetzers mitteilen können. Man habe das erste Angebot so leicht zugänglich wie möglich geplant, damit wirklich jeder teilnehmen könne, nämlich ein Spielenachmittag für Eltern und Kinder. „Wir versuchen, die Eltern über die Kinder zu erreichen, indem wir die Kinder für das Angebot begeistern. Wir hoffen, dass sie ihre Eltern dann auf die Veranstaltung mitziehen“, sagt Mächtle. Ein Erfolg wäre dieser Tag schon, wenn 30 Eltern kämen. In einer anderen Schule in Ludwigshafen habe der Zugang über ein Elterncafé gut funktioniert.
Eine Sprecherin der Stadt sagt auch, dass der Zugang zu den Eltern meist über ein „niedrigschwelliges Angebot zu erreichen ist“. Auch sie benennt ein Elterncafé, sieht jedoch die Koordinatorin als wichtiges Bindeglied: „Wichtig wird sein, dass sie bei den Eltern bekannt wird, diese also ein Gesicht haben und Vertrauen aufgebaut werden kann. Für den Beziehungsaufbau zu den Eltern ist deshalb vor allem personelle Kontinuität erforderlich.“
Wie das in der kurzen Arbeitszeit der Koordinatorin gelingen soll, halten die Pädagogen zumindest für fragwürdig. Laut Mächtle wird die Koordinatorin jeweils einen Tag in der Woche an der Grundschule Gräfenau sein und einen weiteren an der Goetheschule Nord. Das sei doch „sehr knapp bemessen für das angestrebte Ziel“.
Für Projekte stehen fast 600 000 Euro zur Verfügung
Mächtle hält den Ansatz zwar für eine gute Idee. Aber sie zweifelt daran, dass er zu grundlegenden Verbesserungen führen werde. Denn „der Grundstein für die Probleme wird ja schon viel früher gelegt. Viele Kinder besuchen die Kita nur unregelmäßig, sind keine Strukturen gewöhnt. Man sollte schon viel früher ansetzen, beispielsweise über eine Kita-Pflicht“. Bei den Vorbedingungen in den Familien dauere es eventuell auch länger als die Grundschulzeit, um die Eltern an das Projekt zu binden.
Nach Angaben der Stadt stehen für „FamOS“ insgesamt fast 600 000 Euro zur Verfügung. Das Land Rheinland-Pfalz zahlt knapp 300 000 Euro, die Stadt Ludwigshafen rund 205 000 Euro. Den restlichen Beitrag übernehmen die Wübben Stiftung Bildung und die Auridis Stiftung. Ob das Projekt dann auch nach 2026 weiterläuft und wie der Erfolg gemessen wird, dazu machte die Stadt noch keine Angaben.
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