Tiere

Biber haben bei Dossenheim eine kleine Oase erschaffen

Viele seltene Vögel- und Amphibienarten kommen dank des Bibers an die Kleine Lagune. Das Nagetier hilft bei der Renaturierung, sorgt aber auch für Konflikte.

Von 
Alena Kuhn
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Rund um Dossenheim und Ladenburg wohnen Biber. An der Kleinen Lagune haben sie ein Biotop erschaffen (Symbolbild). © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Dossenheim/Ladenburg. Es ist ein warmer Sommertag, die Sonne scheint. Vögel zwitschern, Grillen zirpen und nur in der Ferne rauscht leise der Verkehr von der A5. Diese Fläche hier ist wunderschöne Natur, Idylle pur. Zwischen Dossenheim und Ladenburg liegt die Kleine Lagune oder auch Blaue Lagune. Sie ist das Zuhause einer Biberfamilie. Und es gibt diese Lagune nur wegen dieser Tiere. Durch Biber ist dort eine Landschaft mit einer großen Artenvielfalt entstanden. Doch es gibt auch Konflikte.

Aus diesem Grund hat das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg in den vergangenen Wochen eine „Clearingstelle Biber“ eingerichtet. Auch eine Biber-Verordnung wurde auf den Weg gebracht. Um sich ein Bild vor Ort zu machen, hat Andre Baumann, Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium, die Kleine Lagune am Donnerstag besucht.

Die Kleine Lagune oder auch Blaue Lagune liegt zwischen Dossenheim und Ladenburg. © Alena Kuhn

Die Kleine Lagune ist ein alter Neckar-Seitenarm. Auch nachdem die Flüsse begradigt und die Flächen trockengelegt worden waren, blieb die Senke und stand ab und zu unter Wasser. Dann kam 2019 der Biber: Er baute seine Dämme und staute damit das Wasser. Heute steht die Kleine Lagune dauerhaft unter Wasser – sehr zur Freude von vielen Vogelarten, gefährdeten Amphibien und Insekten.

„Die Lagune ist in den letzten Jahren sehr, sehr bekannt geworden“, sagt Tobias Lepp vom Regierungspräsidium Karlsruhe und erklärt, welche Vögel das Biotop aufsuchen. Zugvögel wie der Grünschenkel oder der Bruchwasserläufer machen Rast, um zu trinken und zu fressen. Andere Arten brüten dort, zum Beispiel Flussregenpfeifer. Als der Purpurreiher erwähnt wird, läuft genau ein Exemplar dieser Art am Ufer entlang. Aber auch Enten und Gänse sind an der Lagune unterwegs.

An der Kleinen Lagune bei Dossenheim: Biber sind auch gut für den Klimaschutz

Solch eine Renaturierung „macht der Biber praktisch kostenlos“, freut sich Baumann. Wenn man das künstlich machen würde, würde es Jahre dauern und viel Geld kosten. Der Staatssekretär kennt ein anderes Beispiel aus Stockach im Kreis Konstanz. Dort war die Renaturierung des Eisweihers geplant. Geplante Kosten: eine halbe Million. „Und dann kam Baumeister Biber“, sagt Baumann. Das Tier fällte Bäume, baute Dämme und sparte so eine Menge Geld ein. Ulrich Weinhold, Biberbeauftragter des Regierungspräsidiums Karlsruhe, ergänzt: Vernässte Flächen und Schlamm binden Kohlenstoffdioxid und sind so auch für das Klima förderlich.

Biberbeauftragter Ulrich Weinhold (r.) erklärt Staatssekretär Andre Baumann, wie Biber leben. Zu Anschauungszwecken wird ein präparierter Biber gezeigt. © Alena Kuhn

Der Biber sorgt aber nicht nur für schöne Biotope, er bringt auch Probleme mit sich. Er nagt Bäume an, hat auch schon die Neckarschifffahrt lahmgelegt. Für eine Berufsgruppe kann das Tier sogar existenzgefährdend sein. Mehrere Landwirte aus umliegenden Kommunen sind ebenfalls zur Kleinen Lagune gekommen, um mit Baumann über ihre Probleme mit dem Biber zu reden – auch Steffen Linnenbach. Der Landwirt aus Ladenburg erklärt, dass das Wasser in Bächen durch die Biberbauten über das Ufer treten kann und somit Teile des Ackers überschwemmt. Das kann die Landwirte mehrere Tausend Euro kosten.

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Genau für solche Fälle gibt es das Bibermanagement. Im Rahmen dieses Programms zum Beispiel Damm-Drainagen gebaut: Hier wird ein Rohr durch den Damm gelegt, damit das Wasser abfließen kann. Eine andere Möglichkeit ist ein Bypass, der das Wasser um den Damm herumleitet. Da Biber dies aber oft merken, überprüfen die Landwirte diese Maßnahmen regelmäßig, manchmal jeden zweiten Tag.

Leben der Biber

  • Biber wurden bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa nahezu ausgerottet.
  • Ab den 1970er Jahren breiteten sie sich unter anderem im Zuge von Wiederansiedlungs-Projekten wieder aus.
  • Aus Sicht von Gegnern deutlich zu stark: Gab es vor 20 Jahren erst rund 650 Biber in Baden-Württemberg , so sind es im vergangenen Jahr nach Angaben des Umweltministeriums 11.500 Tiere.
  • In einer Biber-Familie leben etwa sechs bis sieben Tiere.
  • Das Revier der Familie kann mehrere Kilometer umfassen.
  • Mit etwa zweieinhalb Jahren verlassen die Biber die Familie und suchen sich ihr eigenes Revier.
  • Bei dieser Wanderung sterben viele Nager auf der Straße.
  • Biber stauen Gewässer an, um sicherzustellen, dass der Eingang ihrer Burg immer unter dem Wasserspiegel liegt.

„Wir haben die Landwirte mit ins Boot geholt. Die managen also mit“, betont Weinhold. Zudem gibt es ehrenamtliche Biberberater. Sie sind die Ansprechpartner für die Landwirte und agieren stellvertretend für Weinhold. Das Wichtigste für Baumann ist, dass die Landwirtschaft, der Naturschutz und die Wasserwirtschaft miteinander sprechen, um gemeinsam gute und schnelle Lösungen zu finden. Die große Aufgabe der Politik und Verwaltung sei es, diesen Ausgleich zu schaffen. Die Kommunikation mit den Landwirten funktioniere in der Metropolregion aber gut.

Mit neuer Verordnung können Biber leichter vertrieben und getötet werden

Viele Probleme können im Rahmen des Bibermanagements gelöst werden, sagt Baumann. Manchmal müsse auch ein Damm eingerissen oder ein Baum beseitigt werden. In wenigen Extremfällen gebe es jedoch Probleme, die durch solche Maßnahmen nicht gelöst werden können.

An der Kleinen Lagune zwischen Ladenburg und Dossenheim leben viele verschiedene Vogelarten. © Wolfgang Fischer

Aus diesem Grund gibt es nun die „Clearingstelle Biber“, die bei der Lösung von sehr schweren und häufig auch festgefahrenen Konflikten unterstützen soll. Auch an einer Biber-Verordnung für Baden-Württemberg wird aktuell gearbeitet. Zukünftig soll es damit möglich sein, Biber beispielsweise in Kläranlagen, Anlagen des Hochwasserschutzes oder Bahndämmen, auch ohne vorherige behördliche Ausnahmegenehmigung direkt zu vertreiben oder zu töten. Im Vergleich zur aktuellen Lage würde das schneller gehen. „Es kommt nicht auf jedes Individuum an“, ergänzt Baumann. Dass die Biberfamilie an der Kleinen Lagune getötet wird, ist laut Weinhold aber quasi ausgeschlossen.

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