Ludwigshafen

BG Klinik in Ludwigshafen nutzt einzigartigen OP-Roboter

Die Greifwerkzeuge sind handflächengroß - und können mit mikroskopisch kleinen Nadeln nahezu unsichtbare Fäden vernähen. Die BG Klinik Ludwigshafen geht als eines der ersten Krankenhäuser überhaupt neue Wege in der Mikrochirurgie

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Bernhard Zinke
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Professor Ulrich Kneser am OP-Roboter Symani, der sowohl dem Patienten die Genesung als auch dem Arzt die Arbeit erleichtern soll. © Bernhard Zinke

Ludwigshafen. Sein Handwerkszeug sind zwei Greifwerkzeuge aus Kunststoff. Ulrich Kneser führt die beiden Greifer vor sich durch die Luft – und steuert damit kleinste Instrumente, die er für seine mikrochirurgischen Operationen benötigt. Damit kann der Chefarzt und Direktor der Klinik für Hand-, Plastische- und Rekonstruktive Chirurgie feinste Äderchen von einem halben Millimeter Durchmesser sauber vernähen. In der BG Klinik in Ludwigshafen hat die Robotik im OP Einzug gehalten. Der Professor ist fest vom Erfolg überzeugt: „Wir stehen am Anfang einer technischen Revolution.“

Wobei es sich bei dem komplexen Gerät mit den filigranen Greifwerkzeugen eigentlich nicht um Roboter handelt. „Das Gerät operiert ja nicht autonom“, verdeutlicht Kneser den Unterschied. Das werde in der Mikrochirurgie mit dem komplexen System des menschlichen Körpers auch nie möglich sein. Vielmehr handelt es sich um „Manipulatoren“. Die winzigen Greifwerkzeuge übersetzen die Bewegungen des Chirurgen und skalieren sie, übersetzen raumgreifende Bewegungen in feinste Handgriffe. Außerdem eliminieren sie das normale Muskelzittern, das jeder Mensch hat, selbst die besten Mikrochirurgen.

Halswirbel-Probleme sind weit verbreitete Berufskrankheit

Überdies kann der Operateur eine weitaus entspanntere Körperhaltung einnehmen, als wenn er direkt am Patienten arbeitet. „Durch die unnatürliche, manchmal stundenlange Körperhaltung sind Halswirbel-Probleme unter Mikrochirurgen eine weit verbreitete Berufskrankheit“, erläutert Kneser einen weiteren Vorteil, der letztlich auch den Patientinnen und Patienten zugute kommt.

Das Symani-System haben nach der internationalen Markteinführung im vergangenen Jahr nur ganz wenige Kliniken angeschafft. In der Metropolregion ist die BG Klinik die erste. Die Anschaffung ist sogar im Verbund der neun bundesweit bestehenden BG Kliniken ein Modellprojekt. Den Zuschlag erhielt Ludwigshafen, weil die Klinik mit Abstand die meisten mikrochirurgischen Eingriffe aller berufsgenossenschaftlichen Akutkrankenhäuser in Deutschland durchführt.

Robotik-unterstütztes Operieren

  • Das Symani-System ist eine Entwicklung des Robotikunternehmens Medical Microinstruments (MMI).
  • Das Unternehmen wurde 2015 in der Nähe von Pisa in Italien gegründet. Sein Ziel ist es, Robotiksysteme zu entwickeln, mit denen Chirurgen bessere Ergebnisse bei komplizierten mikrochirurgischen Eingriffen erzielen können.
  • Symani kombiniert kleinste Roboterhandgelenke mit Technologien, die natürliche Zitterbewegungen (Tremor) der Operateure unterdrücken und zugleich durch die Skalierung von Bewegungen, mit der die Präzision mikrochirurgischer Eingriffe verbessert werden kann.
  • Mit dem System sind auch sogenannte supermikrochirurgische Eingriffe möglich, wie die Rekonstruktion von Lymphgefäßen, die sich an Blutgefäße annähen lassen. 

Zwei Jahre lang wird das System nun auf Herz und Nieren getestet. Rund 100 bis 150 Operationen sind mit dem OP-Roboter pro Jahr geplant, etwa zwölf bis 15 im Monat. Dann werde Bilanz gezogen und das System auf seine Tauglichkeit im mikrochirurgischen Alltag bewertet. Am Ende wollen die Fachleute die Antwort auf die Frage geben können: Ist das Gerät sinnvoll für den täglichen Einsatz im OP? Kneser ist indessen schon nach dem ersten Monat sicher: Symani werde sich bewähren. Schon jetzt genießt der Chefarzt die Erleichterungen, die das Gerät ihm bietet.

Am 16. Februar fand die erste Operation statt. Da verpflanzte ein OP-Team einem Patienten Gewebe und nähte feinste Blutgefäße mit einem Innendurchmesser von 0,7 Millimeter in einer verletzten Hand an. In der vergangenen Woche war der OP-Roboter täglich im Einsatz. „Keine Klinik der Welt hat bislang so viel Erfahrungen gesammelt“, sagt Kneser. Und bislang habe es keine Komplikationen oder Probleme mit dem System gegeben. Kneser ist überzeugt: Eingriffe seien mit größerer Präzision möglich, die Qualität werde sich nochmal deutlich steigern.

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Bernhard Zinke
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Nach den zwei Jahren werde es dann die Antwort geben, ob sich eine Anschaffung des OP-Roboters auch für andere BG-Kliniken lohnt – entsprechende Fallzahlen vorausgesetzt. Denn ganz billig ist Symani nicht. Der Roboter selbst schlägt mit einem hohen sechsstelligen Betrag zu Buche. Hinzu kommen die Kosten für die verbrauchten Materialien – es handelt sich um mikrochirurgische Einmalinstrumente, deren Herstellung ordentlich ins Geld geht. „Das ist erstmal nichts, wofür normale Krankenhäuser ein Budget zur Verfügung haben“, sagt der Chefarzt. Aber wie bei allen neuen Systemen werde auch hier der Preis sinken, wenn die Geräte und Verbrauchsmaterialien in Serie hergestellt werden.

Operieren mit 3D-Brille

Nochmals leichter wird der Umgang mit Symani, wenn die Chirurginnen und Chirurgen demnächst nicht mehr durchs Hochleistungsmikroskop blicken müssen, sondern via dreidimensionalem Bild auf einem zwei Meter großen Monitor operieren können. „Dann wird das gesamte Team mit 3D-Brillen im OP stehen“, sagt Kneser.

Es werde wohl auch nicht jede oder jeder mit dem System operieren müssen. „Aber die, die Symani benutzen, sollen es auch können“, sagt der Professor, „man muss schon seinen Führerschein machen“. Ein Curriculum von 15 Stunden ist Grundvoraussetzung für die Nutzung. Bislang haben fünf Ärztinnen und Ärzte das Training abgeschlossen. Weitere werden bald folgen.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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