Ludwigshafen. Es ist wieder fast wie zur Corona-Zeit - es gibt unterschiedliche Regelungen zwischen zwei Landkreisen, die nur durch einen Fluss getrennt sind. Auch am Rhein. Dieses mal geht es um das Bargeld, das Flüchtlinge ausgeben dürfen. Und auch darum, wie weit sie sich von ihrer Unterkunft entfernen können.
Um zum Beispiel zu verhindern, dass Menschen aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea Sozialleistungen des deutschen Staats an Verwandte ins Ausland oder an Schlepper überweisen, sollen die hier ankommenden Menschen künftig eine Debitkarte in die Hand gedrückt bekommen. Auf ihr befinden sich monatliche Guthaben, die jeweils neu aufgefüllt werden - und zwar nach den bundesweit einheitlichen Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Überweisungen kann man mit ihnen nicht vornehmen. Über die Einführung ist man sich über die Parteigrenzen hinweg zwar weitgehend einig, nicht jedoch über den Zeitpunkt und die Details. Während manche befürchten, dass sich das Vorhaben bis 1. Januar 2025 hinziehen könnte, ist das eigentliche Ziel, sie am Ende des Sommers zum 1. September flächendeckend verfügbar zu haben. In den jeweiligen Bundesländern sind derzeit unterschiedliche Gremien eingesetzt, die sich damit befassen.
Sicherheit vor Überfällen als Argument
Nicht mehr warten will und wollte CDU-Landrat Clemens Körner im Rhein-Pfalz-Kreis, der sich rund um Ludwigshafen am Rhein entlang bis nach Römerberg, südlich von Speyer, ausbreitet. Bereits im April möchte Körner damit beginnen, die sogenannte Bezahlkarte an Neuankömmlinge und sukzessive an die weiteren Asylbewerber zu verteilen, anstatt ihnen Bargeld bei der Ankunft in die Hand zu drücken. Er wäre der erste Landkreis in der Metropolregion Rhein-Neckar und der zweite in Südwestdeutschland.
Aus Körners Beritt kam im September 2023 der Brandbrief, der sich an die rheinland-pfälzische SPD-Regierung wendete - und zwar mit dem Wunsch, eine sofortige Wende bei der Zuweisung der Flüchtlinge einzuleiten. Nicht zuletzt aus dieser Diskussion heraus, entwickelte der Kreis einen eigenen Weg, der noch dadurch forciert wurde, dass alle Fraktionen des Kreistags einen entsprechenden Antrag unterstützten, den sie gemeinsam - mit Ausnahme der AfD - einbrachten.
„Ein gewichtiger Grund für die Einführung ist auch die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, argumentiert Körner. Diese seien zu Beginn des Monats wegen der Auszahlung an Flüchtlinge mit sehr viel Bargeld ausgestattet. Das mache sie auch zum Ziel eventueller Angriffe in und außerhalb der Kreisverwaltung in Ludwigshafen. Der Versicherungsverband habe das in der Vergangenheit moniert. Bisher - und das spräche öffentlich niemand aus - habe noch niemand kapiert, dass zu Monatsbeginn in den Verwaltungen recht viel Bargeld unterwegs sei.
Debitkarte gilt nur ím Umkreis des Aufenthaltsortes
In der rheinland-pfälzischen Landesregierung habe man dagegen im Herbst 2023 die Auffassung vertreten, dass die Bezahlkarte diskriminierend sei und deshalb nicht durchsetzbar. Zwischenzeitlich hat bundesweit diesbezüglich offensichtlich ein Stimmungswechsel Einzug gehalten. Weil man sich im Rhein-Pfalz-Kreis schon früh auf den Weg gemacht habe, sei man eben weiter als andere, ist Körners Tenor. Er will nicht mehr warten - vielleicht auch ein wenig aus Trotz. Vorgeworfen bekommt er sein Vorpreschen jetzt von anderen Landkreisen, denn einheitliche Regelungen sind nun schwer zu erreichen.
So soll die Einführung in der Region laufen
- Der Rhein-Neckar-Kreis begrüßt grundsätzlich die Einführung der Bezahlkarte. Man möchte sich an einem bundeseinheitlichen Modell beteiligen, das für Spätsommer/Herbst erwartet wird. Wie das Landratsamt mitteilt, habe man sich als Pilotlandkreis beworben.
- Der Kreis Bergstraße hat sich von verschiedenen Anbietern entsprechende Modelle einer Bezahlkarte präsentieren lassen, sagt Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf. Man warte nun eine Frist ab, die im Land Hessen vereinbart worden sei. Wenn nach sechs Monate keine Bezahlkarte da sei, ende das Agreement und man werde selbst tätig.
- Im Rhein-Pfalz-Kreis will man die Bezahlkarte im Alleingang ab April testen und durchsetzen. Dazu setzt man auf die Zusammenarbeit mit der Firma Secupay, die ihren Sitz in Sachsen hat.
Auseinander gehen die Meinungen etwa darüber, wie viel Bargeld man den Familienvätern und einzelnen Flüchtlingen denn zur Verfügung stellen müsse. In Hamburg, wo man das Prozedere seit mehr als vier Wochen kennt, sind es lediglich 50 Euro, über die die Flüchtlinge bar verfügen dürfen. Bundesweit geht man von Lösungen zwischen 50 und 150 Euro aus.
Clemens Körner spricht von 200 Euro Bargeld, die man freigeben wolle. Wäre das nicht eine Ungleichbehandlung? Und stimmt es überhaupt, dass Flüchtlinge Geld jeweils in ihre Heimatländer überweisen? Körners Antwort: „Die Flüchtlinge sagen das selbst“.In Bayern hatten Ministerpräsident Markus Söder und andere CSU-Politiker sogar erwogen, den Kauf von Alkohol und Zigaretten durch die Bezahlkarte unmöglich zu machen. Das ist rechtlich aber nicht möglich.
Durch Karte kann man Residenzpflicht kontrollieren
Aus Körners Sicht hat die Bezahlkarte einen weiteren Vorteil: Man kann den Radius auf Postleitzahlen beschränken, in denen sie gültig sind. Das heißt, wenn jemand aus Limburgerhof mit ihr in Heidelberg bezahlen wolle, werde das eventuell unmöglich, da es für Asylbewerber zunächst eine Residenzpflicht für Ort, den Kreis oder das Bundesland gibt. Ohne Geld wird niemand woanders hingehen, so das Kalkül.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Verschiedene Auslegung: Bezahlkarte ist wie Corona-Verordnung