Landgericht Mannheim

Babymilch vergiftet? Plädoyers im Prozess gegen Vater aus Viernheim

Ein 24-jähriger Viernheimer steht vor Gericht, weil er seine Tochter mit einem Antidepressivum vergiftet haben soll. Das 17 Monate alte Mädchen starb. Welche Strafen Staatsanwaltschaft und Verteidigung fordern

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Agnes Polewka
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Am kommenden Mittwoch soll um 11.30 Uhr ein Urteil im Prozess um den Tod der kleinen Nya fallen. © Michael Ruffler

Mannheim/Viernheim. Kevin G. (24) aus Viernheim muss sich seit zwei Wochen wegen Mordes vor dem Landgericht Mannheim verantworten. Er soll seiner 17 Monate alten Tochter ein Antidepressivum in die Milch gemischt haben. Das Mädchen erbrach sich, nachdem es eingeschlafen war, und atmete das Erbrochene ein, weil wichtige Schutzmechanismen ihres Körpers nicht mehr funktionierten.  Nya hörte auf zu atmen, ihr Herz hörte auf zu schlagen. Am 10. Juli, um 23.43 Uhr, starb sie.

An drei Verhandlungstagen rekonstruierte das Gericht den 10. Juli 2022, die Zeit davor und danach. Es ging darum, ein Gefühl für Kevin G. und seine Familie zu bekommen. Für ihn als Menschen - und als Vater. Und für seine Motivation.

24-Jähriger räumt Tat ein

Dass G. die Milch mit dem Medikament versetzt hatte, stand von Beginn an fest. Schon am ersten Prozesstag hatte der 24-Jährige eingeräumt, Trimiprarin zerkleinert und in die Milch des Mädchens gemischt zu haben. Um seine Tochter in einen tiefen Schlaf zu versetzen, sagte er. Weil er sich selbst an diesem Abend das Leben nehmen wollte.

Diese Begründung zweifelte Oberstaatsanwältin Katja König in ihrem Plädoyer am Donnerstag stark an. König sprach von einer reinen „Schutzbehauptung“. Der Prozess habe gezeigt, dass G. im Juli 2022 nicht mehr unter Depressionen gelitten habe, dies habe auch der Psychiatrische Sachverständige so zusammengefasst. Und er habe sich auch nicht in einer akuten Lebenskrise befunden.

Wollte er seine Tochter töten

„Das eigentliche Grundmotiv für die Gabe war, dass der Angeklagte seine Ruhe haben wollte“, so König. Weil er mit einer Frau chatten und telefonieren wollte, in die er sich verliebt habe, die er als „Traumfrau“ in seinem Telefon abgespeichert habe. Aber: Die Oberstaatsanwältin zeigte sich auch überzeugt davon, dass Kevin G. seine Tochter nicht töten, dass er ihr nichts antun wollte. „Der Sachverständige hat von einem roten Faden der liebevollen Zuneigung zu Nya gesprochen“, sagte König.

13 Jahre Haft gefordert

Immer wieder hatten Zeugen während des Prozesses beschrieben, wie liebevoll G. sich um das Mädchen gekümmert habe, dass er sich bemüht habe, eine Beziehung zu Nya aufzubauen, dafür an seine Grenzen gegangen sei. Eine Bekannte, die Ex-Freundin, seine Mutter, Mitarbeiterinnen des Jugendamts - sie alle zeichneten ein ähnliches Bild.

Ein Kind ist tot. Das ist so ziemlich das Schlimmste, was man sich vorstellen kann
Stefan Allgeier Rechtsanwalt

König forderte in ihrem Plädoyer eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung - und hielt nicht weiter am Mordvorwurf fest. Dennoch forderte sie eine hohe Strafe: 13 Jahre. Weil er seinem eigenen Kind geschadet habe - „einem fröhlichen, aufgeweckten, wehrlosen, 17 Monate altem Kind“. Und weil er Nya eine so hohe Dosis des Medikaments verabreicht hatte, die er in den Vormonaten selbst schlecht vertragen habe. Auf Körperverletzung mit Todesfolge steht laut Gesetz eine Strafe zwischen drei und 15 Jahren.

„Ein Kind ist tot. Das ist so ziemlich das Schlimmste, was man sich vorstellen kann“, sagte Rechtsanwalt Stefan Allgeier, einer der beiden Verteidiger des Mannes. Allgeier beschrieb, wie sehr Kevin G. unter dem Verlust leide - und unter der Schuld. Die Bürde, das eigene Kind getötet zu haben, werde er sein Leben lang tragen müssen.

Geringer IQ des Angeklagten

Mit einem IQ, der knapp über der Minderbegabung liege, habe Kevin G. die Konsequenzen seiner Tat nicht erfassen können. Der Psychiatrische Sachverständige hatte von einer unterdurchschnittlichen Intelligenz gesprochen, sah darin aber keinen Grund für eine verminderte Schuldfähigkeit.

„Er ist der Erste, der alles tun würde, um das rückgängig zu machen“, sagte Allgeier und forderte fünf Jahre Freiheitsstrafe für G., der sich seit acht Monaten in U-Haft befindet.

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