Walldorf. „Autobahn und Klimaschutz gehören zusammen.“ Das sagt jedenfalls Robert Zimmermann, als er in seine Powerpoint-Präsentation einsteigt. Und natürlich dauert es nicht lange, ehe er auch noch das gerne und oft benutzte Wort Nachhaltigkeit im Munde führt. Weiß er denn nicht, dass gerade der deutsche Verkehrssektor seine Klimaschutzziele in den vergangenen Jahren jeweils deutlich verfehlt hat?
Keine 45 Minuten später steht der schlanke Mann, der Anfang 50 ist, am Montagmorgen auf der A 6 zwischen Walldorf und der Anschlussstelle Wiesloch-Rauenberg. Es ist laut. Autos und Lkw rauschen mit 100 Kilometern pro Stunde an der Baustelle vorbei. Lediglich zwei Spuren stehen dem Verkehr Richtung Süden zur Verfügung. Auf den anderen beiden Trassenteilen gen Heilbronn saniert die Autobahn Südwest GmbH erstmals seit 20 Jahren den Asphalt. Auf einer Strecke von 4,5 Kilometern werden Trag-, Binder- und Deckschicht erneuert. Eine 120 Grad heiße Mischung aus schwarzem Asphaltgranulat und Bitumen fließt durch schweres Gerät auf die rohe Fahrbahn. Es riecht nicht nach Photosynthese, es dampft, es knirscht. So sieht also Klimaschutz aus?
Robert Zimmermann liebt seinen Job. Das merkt man ihm an. Er leitet bei der Autobahn GmbH, die es erst rund dreieinhalb Jahre gibt, die Außenstelle in Heidelberg. Würde man jedoch ein Kind nach Wörtern fragen, die mit Klimaschutz in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen sind, so würde ihm Autobahn wahrscheinlich als vorletzter Begriff einfallen – wobei danach nur noch Kohlekraftwerk käme. Zimmermann kann im Laufe dieses Morgens - direkt neben den großen Baustellen-Maschinen stehend – dann aber doch ganz gut erklären, warum es einen gewissen Sinn ergibt, Autobahn und Klimaschutz zumindest zusammenzudenken. Es ist ein Pilotprojekt für die gesamte Republik
Daten und Fakten
- Die Autobahn GmbH will ab dem Jahr 2040 klimaneutral arbeiten.
- Die letzte Erneuerung des Abschnitts zwischen Walldorf und der Anschlussstelle Wiesloch-Rauenberg fand vor 20 Jahren statt.
- Die Verkehrsstärke liegt dort derzeit bei 90 000 Fahrzeugen pro Tag, davon 20 Prozent Schwerverkehr. Die Experten erwarten eine Steigerung auf bis zu 115 000 Fahrzeuge
- Die aktuelle Sanierung dauert bis Dezember 2024. Im Jahr 2025 folgt die Gegenrichtung.
- Die Kosten für diesen Sanierungsabschnitt liegen bei 15 Millionen Euro.
Fest steht, dass wirtschaftlicher Wohlstand in Deutschland und somit auch in der Metropolregion Rhein-Neckar nach derzeitigem Stand ohne Autobahnen kaum denkbar ist und man sie insofern nicht einfach abschaffen kann und will. Immer mehr Waren werden in zukünftig noch größeren Lkw transportiert. Was das mit den Straßen macht, wird jedem Pendler und Urlauber schon an der gestiegenen Anzahl der Baustellen vor Augen geführt. Das führt auch auf der A6 vermehrt zu Staus. Im kommenden Jahr ist die Gegenrichtung dran.
Ausstoß des Klimagases CO₂ durch neue Technik deutlich reduziert
Dass Zimmermann nun von einer „bahnbrechenden Entwicklung“ spricht, hat mit einer neuen Bitumentechnologie zu tun. Bisher wurde neuer Asphalt bei einer Temperatur von 160 Grad hergestellt und eingebaut. Das hat viel Energie gekostet und damit den Ausstoß des Klimagases CO₂ nach oben getrieben. Nun konnte diese notwendige Temperatur auf 120 Grad reduziert und der CO₂-Ausstoß gesenkt werden. Die Klimabilanz ist also positiver.
Der zweite Aspekt eines erweiterten Klimaschutz-Gedankens bei der Fahrbahnsanierung liegt in der Optimierung von Prozessen durch Digitalisierung. Demnach werden die zentralen Bauprozesse der Asphaltherstellung, des Transports, des Einbaus und der Verdichtung in Echtzeit aufeinander abgestimmt. Zimmermann kann auf seinem Smartphone oder auf einem Tablett beobachten, ob in der Kette irgendwo etwas hakt. Wie Zahnräder greifen die Arbeitsschritte ineinander.
Zukünftig erwarten die Betreiber der A 6 hier 115 000 Autos pro Tag
Je länger die einzelnen Schritte brauchen, desto langsamer fährt das riesige Gerät, das den Asphalt aufbringt. Rund einen Meter pro Minute geht es vorwärts, wenn alles glattläuft – rund 750 Meter pro Tag. Nur nicht anhalten, heißt die Maxime. Denn das würde zu einer Nahtstelle führen, die niemand haben möchte. Warum ist diese Prozessoptimierung also nachhaltiger? Weil sie zu einer verbesserten Einbauqualität führt und damit zu einer längeren Haltbarkeit der Fahrbahn. Diese Haltbarkeit wird zukünftig nach Zimmermanns Darstellung noch gefragter sein, denn statt 90 000 Autos werden auf dem Streckenabschnitt in den kommenden Jahren 115 000 Fahrzeuge erwartet, davon 20 Prozent Schwerverkehr.
Ein wesentlicher Aspekt bei der Nachhaltigkeit ist auch die Recyclingquote bei der Asphaltherstellung. Das Granulat, das dabei verwendet wird, wird aus der bestehenden Fahrbahn gewonnen, wodurch Transportwege verkürzt werden. Weniger Lieferverkehr bedeutet weniger Emissionen und dadurch weniger Belastung für Mensch und Umwelt, so Zimmermann. Neue Betonschutzwände und Stahlschutzplanken komplettieren die Sanierung. Kostenpunkt insgesamt: 15 Millionen Euro.
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