Rhein-Neckar. Am Anfang war die Begeisterung. Ein Ort der Begegnung und der Bewegung. Für alle Generationen. Und das als Geschenk. Der Ansturm auf „alla hopp!“, die größte Förderaktion der Dietmar Hopp Stiftung, kannte zu Beginn kaum Grenzen. 127 Städte und Gemeinden der Metropolregion Rhein-Neckar bewarben sich bis Ende September 2013 auf eine der in Aussicht gestellten Anlagen. 19 davon bekamen den Zuschlag. Der erste gestiftete Spielplatz wurde im Mai 2015 in Schwetzingen eröffnet, der letzte im September 2017 in Mörlenbach. Doch was einmal als gut gemeintes Geschenk gedacht war, entpuppt sich mittlerweile an immer mehr Standorten als ein echtes Problem.
Lärmbelästigung, Vandalismus, Parkplatzchaos – inzwischen gibt es kaum noch eine „alla-hopp!“-Anlage, die nicht für Schlagzeilen dieser Art gesorgt hat. Auch einige Gerichte befassen sich schon mit den Bewegungsstätten. Das Verwaltungsgericht Neustadt hat zuletzt einer Klage von Anwohnern stattgegeben und die Baugenehmigung für die Anlage in Grünstadt aufgehoben (wir berichteten). Ähnliche Verfahren laufen zu den Anlagen in Edenkoben (Kreis Südliche Weinstraße) und Abtsteinach (Kreis Bergstraße). Eine aufgehobene Baugenehmigung bedeute jedoch nicht gleichzeitig, dass eine Anlage dann stillgelegt oder gar rückgebaut werden müsse, erklärt ein Gerichtssprecher auf Anfrage.
Zäune und Lärmschutzwände
Das betont auch Klaus Wagner, Bürgermeister von Grünstadt. „Unsere Aufgabe wird es sein, eine genehmigungsfähige Planung aufzustellen“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Noch bis Donnerstag könnte die Stadt im Kreis Bad Dürkheim gegen die Aufhebung der Baugenehmigung Widerspruch einlegen. „Davon werden wir aber eher absehen“, so der Rathauschef.
Die Beschwerden gegen den Spielplatz in Grünstadt seien ursprünglich von drei Haushalten ausgegangen, geklagt habe letztlich einer. „Jeder Mensch hat ein unterschiedliches Empfinden, damit müssen wir leben“, sagt Wagner. Es gebe aber auch direkte Anwohner der Anlage, die sich nicht beklagen. Gelöst werden könnten die Probleme in Zukunft mit Zäunen, einer Lärmschutzwand oder reduzierten Öffnungszeiten, so Wagner.
Zu letzterem Mittel haben die Verantwortlichen in Abtsteinach bereits gegriffen. Dort war die Anlage nach Anwohnerprotesten sogar bereits mehrere Wochen am Stück geschlossen. „Um die Ruhezeiten zu gewährleisten, wird der Spielplatz inzwischen sonntags erst ab 15 Uhr geöffnet“, sagt Haupt- und Ordnungsamtsleiter Stefan Pape. Auch eine größere Sitzgelegenheit, an der des Öfteren Kindergeburtstage gefeiert wurden, sei zur Befriedung der Situation vollständig abgebaut worden. Daneben wurde ein Zaun errichtet, um die Anlage abschließen zu können. „Der Konflikt schwelt aber dennoch weiter“, sagt Pape – auch vor Gericht. Wie es in dem Verfahren weitergehe, sei derzeit aber noch nicht absehbar.
Ärger mit Nachbarn gab es auch in Ketsch von Anfang an. „Wir haben hier die Situation, dass die Anlage direkt in einem Wohngebiet liegt. Das ist zum einen ideal, weil sie leicht zugänglich ist. Zum anderen birgt es aber Konfliktpotenzial“, sagt Hauptamtsleiter Ulrich Knörzer. Die Verwaltung habe die Lage eine Weile beobachtet und Messungen durchgeführt. Letztlich lenkte man ein und errichtete einen Zaun sowie eine Lärmschutzwand.
Eine solche wünscht sich Walter Rettl auch in Speyer. Der Anwohner hat sich mit ein paar Nachbarn zusammengetan, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. „Allein in diesem Jahr hatten wir jetzt schon 36 nächtliche Ruhestörungen“, sagt er. Immer wieder würden Jugendliche auf der Anlage ihr Unwesen treiben. „Da muss was passieren“, so Rettl. Auch der Klageweg sei nicht mehr ausgeschlossen.
„Aus unserer Sicht bedauerlich“
Die Dietmar Hopp Stiftung nimmt zu den Entwicklungen in der Region Stellung: „Wie bei öffentlichen Plätzen, Parkanlagen und Spielplätzen gibt es leider auch bei den ,alla-hopp!‘-Anlagen einzelne Fälle von Vandalismus und Lärmbelästigung. An einzelnen Standorten fühlen sich Anwohner in ihrer Privatsphäre beeinträchtigt. Dies ist aus unserer Sicht bedauerlich“, schreibt Sprecherin Katja Jewski. Die Anlagen seien errichtet worden, um den Bürgern etwas Gutes zu tun. Sie seien individuell nach den örtlichen Gegebenheiten und unter Einbezug der Bevölkerung geplant worden. Alle Anlagen würden auch rege genutzt – von Kindern, Eltern und Großeltern. „Nahezu täglich erhalten wir per Post, Mail und Telefon sehr positive Rückmeldungen der Nutzer“, so Jewski.
Bezüglich der Probleme befinde sich die Stiftung im Austausch mit den betroffenen Kommunen. „Wir vertrauen auf die Maßnahmen, die sich die kommunalen Verantwortlichen einfallen lassen, um die gestifteten Anlagen zu bewahren und im Sinne aller Bürger zu pflegen“, so Jewski.
Dass diese Maßnahmen die Kommunen eine Menge Geld kosten, berichtet unter anderem Bürgermeister Wagner aus Grünstadt. „Das Geschenk betrug zwei Millionen Euro, und wir haben weit über eine Million draufgepackt bislang“, sagt er. Mit Problemen dieser Ausmaße habe man in der Anfangseuphorie nicht gerechnet. Auch die Stadt Heidelberg hat seit der Eröffnung ihrer Anlage im Oktober 2016 fast 900 000 Euro investiert. Darin enthalten seien etwa ein neuer Zaun, die Beseitigung von Vandalismusschäden, ein Sicherheitsdienst und der Unterhalt, so eine Sprecherin. Gleichwohl spricht die Stadt von einem „enormen Mehrwert“ durch die Anlage.
Die vertragliche Regelung ist klar: Die Hopp Stiftung baut die Anlagen, für den Unterhalt müssen die Kommunen aufkommen. Ob die Stiftung möglicherweise durch die unerwartet hohen Folgekosten an einigen Standorten noch weiteres Geld zuschießt, dazu macht Sprecherin Jewski auf Nachfrage keine Angaben. In Grünstadt und Abtsteinach gibt es inzwischen sogar vage Überlegungen, eine Regresspflicht seitens der Planer zu prüfen „Sie hatten damals einen klaren Auftrag“, sagt Grünstadts Bürgermeister Wagner. Die Begeisterung, so scheint es, ist vielerorts deutlich getrübt worden.
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