Otterstadt. Wozu Ameisen im Stande sind, darüber musste zuletzt die Stadt Kehl - gegenüber von Straßburg im Ortenaukreise gelegen - eine harte Lektion lernen. Es ist gerade mal 14 Tage her, da legten die dort millionenfach auftretenden Krabbeltiere in zwei Stadtteilen zeitweise die Strom- und Internetversorgung lahm. Teilweise treten die Plagegeister in Superkolonien auf - untergraben Gehwege, Hauseinfahrten und am Ende halbe Orte.
Auch Verbreitung der Ameisen im Rhein-Neckar-Kreis
Kehl ist das bisher prominenteste Beispiel, aber auch im Rhein-Neckar-Kreis ist die sich rasch ausbreitende, invasive Ameisenart schon derart unangenehm in Erscheinung getreten, dass sich vor etwa zwei Jahren sogleich ein Krisenstab mit der Bekämpfung von Tapinoma magnum zu beschäftigen begann. Diese nordafrikanische Verwandte unserer Haus- und Hofameise ist ein Phänomen.
Björn Kleinlogel, von Beruf Diplom-Biologe, betreibt in Darmstadt ein Unternehmen, das individuelle und praxisnahe Lösungsvorschläge im Bereich der Schädlingsbekämpfung anbietet. „So etwas hatte ich noch nie gesehen“, sagt er über seine erste Begegnung mit der Ameise aus dem Mittelmeerraum. Die schiere Menge überraschte ihn. „Das waren Millionen von Ameisen“, sagte er am Freitag gegenüber dieser Redaktion.
Tapinoma magnum
- Die Ameisenart Tapinoma magnum stammt wahrscheinlich aus dem Norden Afrikas und ist inzwischen im Mittelmeerraum weit verbreitet.
- Ein Erstnachweis in Deutschland gelang 2011 in einer Baumschule in Ingelheim. Vermutlich wurde das Tier mit Wurzelballen aus dem Mittelmeerraum verschleppt.
- Entlang des Rheins wird sie inzwischen oft zum Problem – unter anderem in Kehl, Ketsch, Limburgerhof und nun in Otterstadt.
Thomas Hauser, Leiter des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung, in Otterstadt, hat sich auf die Suche nach Lösungen gemacht und ist natürlich dabei auch auf Kleinlogel gestoßen. Noch wurde kein Schädlingsbekämpfer verpflichtet, aber so, wie es aussieht, entwickelt sich Tapinoma magnum in Otterstadt zu einer ähnlichen Plage wie etwa in Ketsch oder auch in Limburgerhof, wo Kleinlogels Firma wiederum schon beauftragt war.
Pflaster und Bordsteine senken sich durch Ameisenplage ab
An der Sommerfesthalle und am Stickelpfad hat Hauser einen Schwerpunkt der Invasion ausgemacht. Wo die Ameisen auftauchen, senken sich Pflaster und Bordsteine ab. Das war auch in Ketsch am Friedhof zu beobachten. Ein gigantisches Tunnelsystem gefährdete die Standfestigkeit von Grabsteinen. Da, wo die kleinen Krabbler unterwegs sind, hinterlassen sie ihre sichtbaren Spuren.
„Man findet keine Möglichkeit, sie zu bekämpfen“, klingt Hauser fast verzweifelt. Und in dieser Hinsicht ist Kleinlogel mit ihm einer Meinung. Die neue Art aus betroffenen Orten wieder ganz zu vertreiben - das werde nicht gelingen. „Wir versprechen aber eine Reduktion“, sagt der Experte.
Bekämpfung der Ameisen mit Ködern war teuer und uneffektiv
Angefangen mit der Bekämpfung der Tapinoma magnum hatte Kleinlogel mit Ködern aus Bienenfutter. Das Ergebnis sei gewesen, dass Tausende Ameisen tot gewesen seien, aber der Effekt angesichts der riesigen Populationen verschwindend gering und somit kaum messbar gewesen sei. Mit einem finanziellen Einsatz von rund 500 Euro sei man insofern nicht effizient gewesen. Es folgten weitere Versuche, ehe Kleinlogel zur Bekämpfung mit Hitze kam, die auch im ökologischen Landbau beim Pflanzenschutz verwendet werde.
Nach einem Austausch mit seinem Studienfreund Martin Felke, der über Ameisen promoviert habe, wagte der Schädlingsbekämpfer in Ketsch den Versuch mit heißem Wasser und Maisschaum. Das Gemisch gab man in die Nester und in die Ritzen von Gehwegplatten, und es stellte sich zumindest ein Teilerfolg ein. Die durchaus ausgesprochene Angst, die fremden Ameisen könnte wie in einem schlechten Hollywood-Horror ganz Ketsch einnehmen, war vorerst gebannt.
Aber: Ganz umsonst ist auch diese Methode der Bekämpfung nicht. Man brauche pro Einsatz zwei Mitarbeiter der Verwaltung und mehrere Stunden Zeit. Dazu 200 Liter Diesel, um laufend heißes Wasser zu erzeugen. Macht bis zu 1650 Euro, wie andere Medien berichteten. Auf acht bis zehn Hektar - so sagte man es im Frühjahr 2022 - hatte sich das große Krabbeln damals in Ketsch bereits ausgebreitet. Man vermutete, dass die nordafrikanische Spezies schon im Jahr 2016 eingeschleppt wurde und dann Superkolonien gebildet habe. Denn im Gegensatz zur heimischen Ameise leben in den Nestern besonders viele Königinnen im Verbund.
Der Klimawandel trägt zur Ausbreitung der Ameisenart bei
Dass sich die Gattung in der Rheinebene nicht zuletzt wegen des vielzitierten Klimawandels wohlzufühlen scheint, beweist schließlich auch das Auftreten auf der genau gegenüberliegenden Rheinseite in Otterstadt. Dort macht man sich auf der Ebene der Bürgermeister in der Verbandsgemeinde Rheinauen Gedanken über das weitere Vorgehen. Die Rede war in einer Ratssitzung von einer „beängstigenden Situation“. Strom- und Internetausfälle gab es bisher zumindest nicht.
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