Soziales - Eppelheimer Arzt Joachim Gröschel im Hilfseinsatz in Malawi / Tochter Sandra unterwegs in Ruanda

Am afrikanischen OP-Tisch

Von 
Bernhard Zinke
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Eppelheim. Wenn ein Kind in Deutschland mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte zur Welt kommt, dann ist das hierzulande ein lösbares medizinisches Problem. „In Malawi ist das ein Grund dafür, dass Kinder verhungern“, sagt Joachim Gröschel. Babys können keine Muttermilch saugen, Mangelerscheinungen sind die Folge. Zuweilen werden die Familien gemieden, weil angeblich ein Fluch auf ihnen lastet. Der promovierte Anästhesist aus Eppelheim weiß, wie groß Not und Elend in dem südostafrikanischen Staat sind. Für zwei Wochen hat er während seines jüngsten Urlaubs den Arbeitsplatz in der BG Klinik Ludwigshafen gegen das Distrikt-Hospital in Chitipa im Nordwesten von Malawi eingetauscht.

Für den gemeinnützigen Verein Interplast reiste er in das bettelarme Land, um mit einem ganzen Team – darunter auch OP-Schwester Angelika Möhrer und Anästhesie-Schwester Barbara Hippler aus der Ludwigshafener Klinik – plastische und lebensnotwendige Operationen durchzuführen – für die Patienten war dies jeweils kostenlos. Auch Gröschels Sohn Philipp reiste mit. Der Politikstudent durfte als Nicht-Mediziner alle möglichen Handreichungen erledigen.

„Die hygienischen Verhältnisse sind schwierig“, umschreibt der Arzt mit vornehmer Zurückhaltung. Die Böden des Krankenhauses sind mit feinem Zement überzogen. Fliesen gibt’s nur in den beiden Operationssälen. Die Matratzen sind verschlissen, überall quillt Schaumstoff heraus. Die OP-Tische wackeln, an den Decken sprießt der Schimmel und 26 Patienten teilen sich ein Krankenzimmer.

Dramatische Erlebnisse

Die Menschen bekommen eine Basisversorgung, mehr aber auch nicht, sagt Gröschel. Und er weiß: Falsch dosierte Narkosen sind in Afrika eine der häufigsten Todesursachen. Willenlos werde mit Valium und Curare-Medikamenten hantiert. „Wenn Sie so bei uns arbeiten würden, bekämen sie einen Prozess nach dem anderen an den Hals“, sagt er. Unter anderem starb auf diese Weise ein zehnjähriges Mädchen, weil es die Überdosis eines Narkosemittels verabreicht bekam. „Es hätte nicht sterben müssen.“ Die Ärzte vor Ort seien zum Teil eben schlecht ausgebildet, so dass sie auch tödliche Fehler machten.

Operiert hat das Team von morgens um 8.30 Uhr bis um 22 Uhr – rund 40 Operationen in zwei Wochen, schätzt Gröschel. Dramatische Dinge hat er gesehen, so etwa ein 16-jähriges Mädchen, das während eines Krampfanfalls in ein Lagerfeuer gefallen war und sich schwerste Verbrennungen am ganzen Körper zugezogen hatte. Warum die ortsansässigen Ärzte ihr einen Arm amputierten, kann er nur ahnen. „So manche Erlebnisse nimmt man schon mit heim“, sagt er. Trotzdem treibt es Joachim Gröschel immer wieder in derartige Hilfseinsätze. Das seien aber „keine Übungsplätze für Anfänger“, rät er. Berufserfahrung sei ein wesentliches Element, um richtig helfen zu können.

Dieses Helfer-Gen ist tief verwurzelt in der Familie Gröschel. Joachims Frau Verena, Allgemeinmedizinerin in einer Gemeinschaftspraxis in Brühl, war für die „German Doctors“ schon auf den Philippinen und bereitet sich aktuell auf einen Einsatz in Kalkutta vor. Und auch Tochter Sandra ist schon „infiziert“: Einen Tag nach ihrem 18. Geburtstag reiste sie für das katholische Hilfswerk Misereor und die Organisation „Vision Jeunesse Nouvelle“ (Neue Perspektiven für junge Menschen) zum Freiwilligen Sozialen Jahr nach Ruanda – drei Stunden von der Hauptstadt Kigali entfernt und nicht allzu weit weg vom Ebola-Gebiet. „Man blendet die Gefahr aus“, gestehen die Eltern.

Die 18-Jährige ist indessen total begeistert von dem Einsatz, wie sie im WhatsApp-Anruf erzählt. Sie arbeitet für die „Cuisine du Coeur“ (Küche des Herzens) in einem Jugendzentrum mit Straßenkindern. Warmes Essen in der Gemeinschaft und gemeinsame Spielenachmittage seien Dinge, die die Kinder zwischen sechs und 18 Jahren kaum kennen und deshalb umso mehr genießen. Das Problem: Offiziell gebe es keine Straßenkinder in Ruanda, die Regierung wolle das Problem nicht wahrhaben, weil es nicht ins Bild passe, erzählt Sandra Gröschel. Ruanda sei schließlich so etwas wie die Schweiz Afrikas.

Wichtige Lebenserfahrung

Wenn die Kinder auf der Straße von der Polizei aufgegriffen würden, kämen sie in Transitzentren und dann zu ihren Familien. „Aber es gibt ja Gründe, warum die Kinder lieber auf der Straße leben wollen als zuhause“, sagt sie. Deshalb werde die Arbeit der Hilfsorganisation vor Ort im besten Fall belächelt. Eine wichtige Lebenserfahrung ist der zehnmonatige Aufenthalt in Ruanda allemal. Sandras Berufsziel? „Ich will Kinderärztin werden.“

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