Religion - Alt-Katholiken spüren nach dem Übertritt des ehemaligen Speyerer Generalvikars Andreas Sturm mehr Interesse

Alt-Katholiken erfahren mehr Aufmerksamkeit

Von 
Peter W. Ragge
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In der Mannheimer Schlosskirche treffen sich die Alt-Katholiken. © Prosswitz

Alt-Katholiken

  • Die alt-katholische Kirche ist eine unabhängige katholische Kirche ohne Priesterzölibat. und eine anerkannte Körperschaft, die auch Kirchensteuern einzieht.
  • Es gibt viele Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte aller Mitglieder, Geschiedene sind zu Sakramenten zugelassen.
  • Sie entstand aus Protest gegen die dogmatischen Definitionen des Ersten Vatikanischen Konzils 1870 (Unfehlbarkeit des Papstes). 

Rhein-Neckar. Drei kleine Buchstaben, ein großer Unterschied: Seit der Generalvikar des Bistums Speyer, Andreas Sturm, spektakulär aus seiner Kirche ausgetreten und zu den Alt-Katholiken gewechselt ist, interessieren sich plötzlich die Menschen für die zuvor weitgehend unbekannte Glaubensgemeinschaft. Sturm wird zum 1. August vom Rhein an den Bodensee ziehen und in Singen und Sauldorf für die Alt-Katholiken als Priester arbeiten.

Die erfahren dadurch aber auch in der Region „deutlich mehr Aufmerksamkeit“, sagt Sabine Clasani, seit 2016 Pfarrerin der Alt-Katholischen Gemeinden Mannheim/Ludwigshafen und Haßloch. „Ich werde häufiger angesprochen, da kommen jetzt viel mehr Fragen“, bestätigt Uwe Lorenz, der in Ketsch wohnt und Kirchenvorstand der Gemeinde Mannheim/Ludwigshafen ist.

Statt „ev.“ oder „kath,“ steht auf seiner Lohnsteuerkarte für die Kirchensteuer-Abbuchung „ak“. Aber dass es diese christliche Alternative zu den zwei großen Kirchen gibt, wusste auch er lange nicht. „Ich habe das erst durch Zufall erfahren“, so Lorenz, der bei einer Versicherung arbeitet. Schon in der Zeit von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) sei er aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten. „Da lief viel, was ich nicht mittragen wollte, dann war ich lange konfessionslos“, erzählt er. Vor der Eheschließung sei er dann aber zu den Alt-Katholiken gestoßen.

Frauen mit Weiheamt

„Das Konzept hat mich überzeugt, daher wollte ich auch etwas tun und Aufgaben übernehmen“, erklärt Lorenz. Seit Januar ist er nun ehrenamtlicher Kirchenvorstand, macht oft Lesungen oder trägt Fürbitten vor in den Gottesdiensten. Die finden in erster Linie in der Mannheimer Schlosskirche statt, die der Großherzog 1874 den Alt-Katholiken zur Verfügung stellte. Zudem gehört der etwa 550 Mitglieder zählenden Gemeinde Mannheim/Ludwigshafen, die sich von Lampertheim bis Brühl erstreckt, die Erlöserkirche (Mannheim-Gartenstadt) und das Haus mit dem Pfarramt in M 7,2.

Da wird Pfarrerin Clasani demnächst Gespräche wegen Kirchen- ein- oder -übertritten führen. Einige Termine seien vereinbart, sie erlebe „in kurzer Zeit ein Wahnsinnsinteresse“, so die Pfarrerin. Bei den Gottesdiensten in der Schlosskirche sei ihr bereits aufgefallen, dass „sehr viel mehr Gäste“ kämen, nämlich „Leute, die ich vorher nie gesehen und nie gehört habe, und im Pfarramt gingen Anfragen ein, ob die Gottesdienste denn öffentlich seien. „Natürlich“, sagt sie dann nur.

Auch sie ist mal übergetreten, war früher „römisch-katholisch“, wie sie zur Abgrenzung immer sagt. In Bad Soden-Salmünster aufgewachsen, engagierte sie sich in der kirchlichen Jugendarbeit. Auf der Jesuitenhochschule Frankfurt studierte sie römisch-katholische Theologie. Plötzlich sah die Studentin im Fernsehen, dass bei den Alt-Katholiken auch Frauen geweiht werden. Da waren ihr Interesse, ihre Neugier geweckt. „Und da ich keine Hoffnung hatte, dass ich zu meinen Lebzeiten römisch-katholische Priesterinnen erleben werde“, wie sie sagt, sei sie übergetreten. Auf ihr Examen sattelte sie eine zweijährige alt-katholische Priesterausbildung drauf, wurde 2007 geweiht – und hat es wegen der Rolle der Frauen und der demokratischeren Kirchenstrukturen nie bereut. Inzwischen, hebt sie hervor, gebe es sogar eine Generalvikarin bei den Alt-Katholiken.

Redaktion Chefreporter

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