Neckar-Odenwald-Kreis. Wer in den Sommermonaten über die Streuobstwiesen in den Städten und Gemeinden im Neckar-Odenwald-Kreis schlendert, dem könnte das ein oder andere gelbe Band auffallen. Besitzerinnen von Obstbäumen können so nämlich signalisieren, dass jeder, der mag, die Früchte dieses Baumes pflücken darf.
Die Aktion soll einerseits verhindert, dass das Obst unter den Bäumen liegen bleibt und schlecht wird und so der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken: Schätzungsweise werden knapp ein Zehntel der Bäume sonst nicht oder nicht vollständig beerntet, teilt der Fachdienst Landwirtschaft des Kreises auf Anfrage mit. Sie soll aber auch jene Streuobstwiesenbesitzer entlasten, denen die Ernte zu wenig rentabel oder zu mühsam ist, oder die nicht genug Zeit oder Helfer haben.
Die Idee ist nicht gänzlich neu: Bereits 2019 hat der Landkreis Esslingen auf das gelbe Band gesetzt – und wurde 2020 dafür mit dem Preis „Zu gut für die Tonne“ des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung ausgezeichnet. Seitdem finden ähnliche Projekte bundesweit statt. Im vergangenen Jahr hat bereits die Odenwälder Gemeinde Waldbrunn die Idee aufgegriffen. Nun folgt der gesamte Kreis.
Auch Gäste dürfen ernten
Insgesamt gibt es in dessen Gebiet ungefähr 150 000 Obstbäume, schätzt der Fachdienst Landwirtschaft. Mehr als die Hälfte von diesen gehören privaten „Stücklesbesitzern“, etwa ein Viertel sind jeweils im Besitz von Landwirten oder den Kommunen. Die Gemeinde Waldbrunn gibt ihre eigenen Bäume entlang der Odenwaldstraße zur Ernte für Jedermann frei. Der Neckar-Odenwald-Kreis ist dazu auch mit anderen Gemeinden in Kontakt. „In einigen werden die Bäume zur Beerntung versteigert. Auch dies ist positiv im Sinne der Wertschätzung und Obstverwertung“, heißt es. Die gelben Bänder, die vom Kreis zur Markierung zur Verfügung gestellt werden, sind indes ebenfalls umweltfreundlich: aus Papier, das mit der Zeit in der Natur verwittert.
Ernten dürfen nicht nur die Einheimischen: „Gäste können sich natürlich auch beteiligen“, so der Neckar-Odenwald-Kreis. Einer Wanderung im Odenwald und einer anschließenden Suche nach Streuobst steht damit nichts im Wege. Regeln bei der Ernte gibt es natürlich trotzdem. Besucher und Besucherinnen werden angehalten, in haushaltsüblichen Mengen für den eigenen Verbrauch zu ernten, heißt es in einer Mitteilung des Kreises. An nicht gekennzeichneten Bäumen darf nur der Besitzer ernten.
Marion Hofherr von der Tourist- Information Waldbrunn gibt zu bedenken: „Mit dem Eigentum der Streuobstwiesenbesitzer soll natürlich respektvoll umgegangen werden.“ So dürfen die Grundstücke nicht verschmutzt, Äste nicht abgebrochen werden – und es soll kein schweres Gerät genutzt werden. Der Apfelernte direkt vom Baum mit einer Leiter steht aber prinzipiell nichts im Wege. „Leitern aber bitte nur bei stabilen älteren, nicht bei jungen Bäumen verwenden“, erklärt Hofherr. „Außerdem bitte keine Hunde frei über die Wiesen rennen lassen.“ Denn diese sind möglicherweise Futterwiesen für Nutztiere, denen Hundekot Schaden zufügen könnte. Auch auf sich selbst sollen die Erntewilligen aufpassen – und Vorsicht walten lassen.
Kirschen sind im Juli reif
Aber auf was können sie sich überhaupt freuen? Im Neckar-Odenwald-Kreis wachsen unter anderem Kirschen. Mit diesen beginnt im Juli die Erntesaison – aufgrund des relativ kalten Frühlings ein bisschen später als sonst. Außerdem gibt es Mirabellen, Zwetschgen, Pflaumen, Walnüsse, Birnen und Äpfel. Letztere können bis in den Oktober hinein geerntet werden. Insgesamt zeichnet sich das Streuobst durch eine gewisse Robustheit aus. „Obst, das zum Reifen Wärme braucht, wird bei uns hier oben eher nix“, sagt Hofherr mit einem Schmunzeln. Die Sortenvielfalt ist dafür jedoch groß. „Viele legen Wert drauf, alte Sorten zu pflanzen, um diese zu erhalten.“
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