Neustadt. Mit geschürzten Lippen taxiert die Dame die Touristen von oben bis unten: „Ihr wissen aber schunn, dass mir heit uff e Feschd gehen, oder? Gehen ihr heit noch uffs Feld?“, will sie wissen angesichts der legeren Kleidung ihrer Gäste. Damit hat sie die ersten Lacher auf ihrer Seite. Seit dem Wochenende gibt es erstmals in diesem Jahr wieder inszenierte Führungen durchs Hambacher Schloss. Die Corona-Pandemie hat der Einrichtung die Saison bislang gründlich vermasselt.
Statt der etwas sachlicheren Touren, die im Stundentakt die Bedeutung der einstigen Kästenburg für die deutsche Demokratie erläutern, schlüpfen bei den inszenierten Touren vier verschiedene Gästeführer in historische Kostüme und und Gestalten. Sie entführen damit ihre Gäste in das Jahr 1832 und vermitteln so auf eher spielerisch-humoristische Weise den Kampf um Einheit, Freiheit und Demokratie, der rund um den 27. Mai 1832 in der Pfalz – und nicht nur dort - tobte.
Konstanze Ertel spielt eine Nachbarin der Familie Wirth, die ihre Gäste mit zum „Feschd“ nehmen will. Das „Feschd“ sei ja in Wirklichkeit gar kein Fest, flüstert sie in verschwörerischem Ton. Es sei in Wirklichkeit eine politische Veranstaltung, die eigentlich gar nicht erlaubt sei. In der bayrisch regierten Pfalz gebe es ja jetzt ein Versammlungsverbot, deshalb müsse man das Treffen unter anderen Voraussetzungen organisieren.“Awwer ihr brauchen kää Angscht zu hawwe. Gefeiert werd trotzdem, mir sinn jo in de Palz“, beruhigt sie.
Und dann lässt sie die Runde ihrer Gäste aus einem schwarz-rot-goldenen Band eine Kokarde falten, einen rosettenförmigen Anstecker als Erkennungszeichen für die Kämpfer von Freiheit, Einheit und Demokratie. Ihr Idol der ganzen Bewegung ist natürlich Dr. Philipp Jakob Siebenpfeiffer. Ganz schwärmerisch erzählt sie von dem Landkommissar, heute würde man Landrat sagen, der als bayrischer Beamter gegen die Obrigkeit rebelliert, zum Gefängnisaufseher degradiert und schließlich zwangspensioniert wird. Dadurch hat er nur mehr Zeit zur Rebellion und Gründung eines Press- und Vaterlandsvereins. Schließlich ist er die Spitze der Demokratiebewegung.
Durch die lockeren Erzählungen im Dialekt rückt die Geschichte des Hambacher Festes, die im Obergeschoss des Schlosses ebenfalls erzählt wird, ganz nah und nachvollziehbar heran. Die wechselnden Herrschaften in der Pfalz durch die Franzosen und nach dem Wieser Kongress durch die Bayern, die plötzlich das Vierfache an Steuern verlangen, machen den Protest der Menschen nachvollziehbar. Dazu kommen die Zollgrenzen rund um die Pfalz, die den pfälzischen Weinbauern den Export ihrer Ware verteuern und damit das Geschäft nahezu unmöglich machen. Da wird auf einmal klar, warum statt der erwartetet 1000 Menschen plötzlich 20 000 bis 30 000 Wutbürger „hinauf, hinauf zum Schloss“ strömen, so der Slogan des Festes. Darunter sind auch viele Polen, die 1831 gerade ihren eigenen Freiheitskampf verloren haben und als Gäste hochwillkommen sind. Das Hambacher Fest ist nämlich, auch wenn es den Nationalstaat ringt, keineswegs fremden- und schon gar nicht frauenfeindlich. Die Damen sollen mehr sein als nur schöne Zier, sondern mitkämpfen – auch für ihre Freiheit.
Es sind harte Zeiten – nicht nur 1832, sondern auch 2020. Normalerweise spaziert Konstanze Ertel während der Führung mit ihren Gästen durch das ganze Schloss, leitet sie auch durch die sehenswerte Ausstellung. Dank Corona ist das derzeit aber nicht möglich. Die Führung reicht nur einmal rund ums Schloss herum. Auch dürfen derzeit statt der üblichen 26 nur neun Personen pro Führung mitlaufen. In den vergangenen Jahren seien 30 Führungen am Tag normal gewesen, verrät sie. Aber nun fehlen die Touristen. Gleichwohl freut sie sich, dass der Besucherstrom vier rund Wochen nach der Wiedereröffnung des Schlosses langsam wieder ansteigt.
Witzig ist die inszenierte Führung freilich auch mit neun Zuschauern, auch durch das gemeinsame Singen des Protestliedes „Der Deutschen Mai“, das Siebenpfeiffer auf das Reiterlied von Friedrich Schiller umgetextet hat. „Wir geben den Menschen die komplette Information, die sie auch bei einer normalen Führung bekommen“, sagt Ertel, nur eben in einer spielerischen Form. In modifizierter Form gibt’s die inszenierten Führungen übrigens auch für Familien mit Kindern.
Führungen und Termine
- Inszenierte Führungen für Erwachsene: 15 und 29. August, 12. September, 15 Uhr, Dauer je 45 Minuten.
- Inszenierte Familienführungen: 8. und 22. August, 5. und 26. September, 15 Uhr, Dauer jeweils 45 Minuten.
- Architekturführung: 19. September, 15 Uhr.
- Allgemeine Führungen: An den Wochenenden um 11, 12, 14, 15 und 16 Uhr.
- Teilnehmerzahl auf neun Personen begrenzt. Infos unter 06321/92 62 90.
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