Mannheim. Der Chef der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, hält den Skandal um den CDU-Politiker Nikolas Löbel um die Maskenbeschaffung für höchst problematisch. Dass ein Abgeordneter für solche Vermittlungstätigkeiten private Profite einstreiche, sei "völlig undenkbar".
Herr Jung, Umfragen zeigen, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung für das politische Corona-Management abnimmt. Wie schädlich ist es in dieser Stimmung, dass Bundestagsabgeordnete Schutzmasken an Unternehmen vermittelt und dafür Provision eingestrichen haben?
Matthias Jung: Das ist natürlich ein ganz verheerendes Signal - gerade in einer Situation, in der die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement durch Mangelerscheinungen gekennzeichnet ist. Wir hatten zuerst zu wenige Schutzmasken, dann gab es Probleme beim Impfmanagement und jetzt können wir auch bei den Schnelltests nicht richtig klotzen. Wenn dann Abgeordnete ihre Beziehungen für private Profite nutzen, ist das natürlich eine Erschütterung der Grundlagen unserer demokratischen Kultur.
Netzwerke nutzen und Beziehungen pflegen machen Abgeordnete allerdings regelmäßig.
Jung: Es gehört zu den Aufgaben eines Bundestagsabgeordneten, dass er Kontakte beispielsweise zugunsten von Unternehmen in seinem Wahlkreis nutzt - auch um ihnen den leichteren Zugang zu Masken zu ermöglichen. Nur ist das seine originäre Aufgabe als Abgeordneter und es ist völlig undenkbar, dass er dafür eine privat vereinnahmte Provision kassiert.
Kann denn das Vertrauen der Menschen in die Politik durch einen konsequenten Rücktritt der beteiligten Abgeordneten wieder hergestellt werden?
Jung: Es ist zwingend notwendig, dass ein sofortiger und entschiedener Reinigungsprozess stattfindet. Der Schaden aber bleibt über den Tag hinaus. Ein solcher Vorgang ist leider Wasser auf die Mühlen aller Verschwörungstheoretiker und aller, die unserem politischen System grundlegend misstrauen.
Die Rüge, die der CDU-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus ausgesprochen hat, reicht also nicht aus?
Jung: Als Fraktionsvorsitzender kann er kaum mehr machen. Die Abgeordneten sind frei gewählt. Im Prinzip sind jetzt die Parteigremien vor Ort gefragt, auf den verschiedenen Ebenen: Kreis-, Bezirks- und Landesverband. Sie müssen Druck ausüben, wenn die Einsicht für einen Rücktritt bei den Betroffenen selbst nicht vorhanden ist.
Hat die Affäre um Niklas Löbel konkrete Auswirkungen auf den Wahlerfolg der CDU bei der anstehenden Landtagswahl in Baden-Württemberg?
Jung: Es macht sich sicherlich im näheren Umfeld bemerkbar. Im konkreten Fall wird es wahrscheinlich Auswirkungen auf das Wahlergebnis der CDU in Mannheim haben. Allerdings haben wegen des hohen Anteils an Briefwahl viele Menschen ihre Entscheidung bereits getroffen. Die Landes-CDU schneidet aber in der Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen bereits vor dem Skandal zur Maskenbeschaffung schlecht ab. Die CDU wird diesen Vorgang also nicht als Ausrede für ihr Wahlergebnis heranziehen können.
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