Kommentar Von der Mannheimer Demo in die Charts: Soffie als gutes Beispiel

Kulturredakteur Jörg-Peter Klotz sieht den Erfolg von "Für immer Frühling" als starkes Zeichen für die Popakademie und die junge deutsche Musikszene. Dass nur wenige etablierte Stars bei den Demos gegen Rechts mitwirken, verwundert ihn

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Mannheim. Dass die Wahl-Mannheimerin Soffie im Gleichklang mit den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus einen millionenfach gehörten Hit gelandet hat, ist erstmal ein schöner Erfolg für die Popakademie: Platz fünf in den aktuellen Spotify-Charts ist ebenso spektakulär wie die dynamisch weiter wachsende Zahl von 1,4 Millionen monatlichen Soffie-Hörern beim schwedischen Streaming-Giganten. Die Pop-Elitenschmiede bleibt ein Magnet für Talente. Und dass die Karriere der 24-Jährigen direkt nach ihrem Auftritt bei der „Nie wieder ist jetzt!“-Demo in ihrer Wahlheimat noch mehr Fahrt aufnahm, passt prima ins Bild einer weltoffenen Musikstadt.

Die enorme Resonanz von Soffies Hit „Für immer Frühling“ zeigt aber auch, dass das politische Lied in Deutschland nach Danger Dans „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ weiter im Kommen ist und von jungen starken Stimmen getragen wird. Einiges davon kommt aus Mannheim: Zum Beispiel „Angst frisst Demokratie“ von Paula Carolina. Auch Comedy-Star Bülent Ceylan hat auf seinem demnächst erscheinenden Metal-Album vier gesellschaftskritische Titel – etwa „Lieder gegen Nazis“, oder „Anders gleich“ mit Peter Maffay.

Gespräch

So erklärt die Mannheimer Sängerin Soffie ihren Erfolg

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Dabei fällt auf, dass sich die alte Deutschrock-Garde in Zeiten demokratischer Aufbruchstimmung erstaunlich ruhig verhält. Dabei täte es den Demos in vielen Städten gut, sie würden zivilgesellschaftlich organisiert und nicht parteipolitisch instrumentalisiert. Zum Beispiel Vertreter der Union auszuschließen, ist demokratisch schlicht widersinnig.

Wer an die pogromartigen Ausschreitungen 1992 etwa in Rostock-Lichtenhagen oder auf der Mannheimer Schönau denkt, mag sich auch daran erinnern, wer den braunen Mobs damals gezeigt hat, dass sie nur eine winzige Minderheit sind. Während viele Parteien vor dem vermeintlichen Volkszorn in der Asylpolitik kuschten, setzte die Lichterkettenbewegung von München aus starke Signale. In Köln organisierte die Musikszene am 9. November 1992 das „Arsch huh, Zäng ussenander“-Festival vor 100 000 Menschen.

Am 13. Dezember ließ Konzertveranstalter Marek Lieberberg „Heute die! Morgen Du!“ in Frankfurt folgen – mit 150 000 Besucherinnen und Besuchern. Live im Fernsehen positionierte sich das größtmögliche Staraufgebot um Grönemeyer, Westernhagen, Lindenberg, BAP, Die Toten Hosen und Co. So ein deutsches „Live Aid“ zu wiederholen, nützt wohl nicht mehr so viel wie damals (was das Chemnitzer „Wir sind mehr“-Festival 2018 leider gezeigt hat). Trotzdem könnten Rock- und Popstars bei Demos in ihren Heimatstädten mehr Präsenz zeigen.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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