Im Mai starten in Mannheim und Umgebung mehrere Autokinos, teilweise auch mit Live-Programm. Publikum und Kulturschaffende reagieren euphorisch, Klimaschützer kritisch: Verursachen Autokinos in der Corona-Zeit völlig unnötigen Verkehr?
Pro (von Jörg-Peter Klotz):
Autokinos sind ein Lichtblick in der Corona-Krise. Ein Segen, für die nicht nur materiell darbende Kino- und Kulturszene, die bei dem Mannheimer Konzept mit zwei programmatisch unterschiedlich ausgerichteten Standorten eine Live-Bühne erhalten soll. Noch viel wichtiger: Allein die Resonanz auf die Berichterstattung zu den Autokinoplänen in der Region zeigt, wie ausgehungert auch das Publikum ist. Das positive Gemeinschaftserlebnis, das zum Beispiel eine Familie mit drei Kindern nach wochenlangem Quasi-Hausarrest bei einem Theaterstück oder Animationsfilm haben kann, ist zurzeit unbezahlbar. Denn das Bisschen Abwechslung vom womöglich konfliktreichen und engen Dauer-Beieinander im Corona-Krisenalltag kann das Durchhaltevermögen stärken für die nächsten Wochen. Und wenn kein eigener Wagen verfügbar ist, findet sich in Verwandtschaft und Bekanntenkreis sicher ein „Autoverleiher“. Solange Verbrennungsmotoren dominieren, ist Autokino umweltpolitisch natürlich kein Zukunftsmodell. Das soll und es muss es (hoffentlich) auch nicht sein. Aber bis zu 300 Autos am Neuen Messplatz, maximal 600 auf dem Maimarkt – das ist nur ein Bruchteil des Verkehrs, den der prall gefüllte Mannheimer Veranstaltungskalender in normalen Zeiten mobilisiert.
Kontra (von Anne-Kathrin Jeschke):
Vor Kurzem haben wir noch über autofreie(re) Innenstädte diskutiert. Jetzt soll der Neckarstädter mit dem Wagen auf den Neuen Messplatz fahren, um im Blechmeer einen Film oder ein Konzert zu genießen? An einem Ort, an dem Anwohner schon lange über Belästigungen durch parkende Lastwagen klagen? Mit Blick auf die Umwelt ist das Unsinn.
Wem Kultur wichtig ist und wer es sich leisten kann, der muss die Häuser und Künstler seines Vertrauens jetzt unterstützen. Mit oder ohne Gegenleistung: Kunstschaffende bereichern die Abende auf dem Sofa mit inspirierenden Formaten. In Berlin werden Filme an kahle Hinterhofwände projiziert. Auch das ist Kino in Krisenzeiten. Es braucht politische Lösungen und unkonventionelle Ideen: mit Abstand, aber ohne Blechlawinen.
Manch einer mag die Renaissance des Autokinos feiern. Doch Nostalgie ist kein guter Ratgeber für die Zukunft. Erst recht nicht, wenn die Erde vor dem Klimakollaps steht. 2020 – das Jahr mit mehr Autokinos in Deutschland denn je? Da genügt auch die Corona-Not nicht als Rechtfertigung. Zudem schließt das Konzept viele Stadtbewohner aus: darunter junge, kulturinteressierte Menschen, von denen viele kein Auto mehr besitzen. Mit dieser rückwärtsgewandten Lösung machen Betreiber es sich zu einfach.
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