Die Pandemie hat nicht nur Tod und Krankheit über die Menschen gebracht, sondern auch viele berufliche und ökonomische Zukunftspläne zerstört. Da ist der Unternehmer, der nach der unverschuldeten Insolvenz seine Altersversorgung auf einen Schlag verloren hat. Oder der Auszubildende, der nicht übernommen wurde, weil sein Arbeitgeber den Betrieb schließen musste. Und der Minijobber hat im Gegensatz zu den festen Kräften kein Kurzarbeitergeld bekommen und muss jetzt vielleicht von Hartz IV leben.
Da trifft es sich gut, dass die Universität Mannheim und das ebenfalls in der Quadratestadt ansässige Zentrum für Europäische Wirtschaft (ZEW) ein neues Institut gegründet haben, das auch die finanziellen Schocks untersuchen will, die durch Corona in den privaten Haushalten entstanden sind. Denn die Krise hat ja auch gezeigt, dass diejenigen, die sich in guten Zeiten etwas auf die Seite gelegt haben, besser durch die Pandemie gekommen sind. Auf der Strecke bleiben dagegen die einkommensschwachen Familien ohne einen Notgroschen.
Das Mannheim Institute for Financial Education – ein deutscher Titel wäre besser gewesen – will sich also mit der Finanzbildung beschäftigen und verfolgt damit auch einen wissenschaftlichen Praxisbezug. Es will herausfinden, wie sich Entscheidungen in Finanzfragen auswirken und untersuchen, wie sehr diese vom ökonomischen Wissen der Menschen abhängen. Schließen wir oder unsere Eltern für uns einen Bausparvertrag ab, weil das alle schon immer so gemacht haben? Oder warum sind die Deutschen noch immer so vorsichtig bei Aktien als Geldanlage, obwohl diese doch auf lange Sicht am meisten Gewinn versprechen?
Das Institut will aber nicht nur die finanzielle Bildung untersuchen, sondern sie auch vermitteln. Die Forschungseinrichtung verknüpft damit die Ökonomie mit der Wirtschaftspädagogik. Die Deutschen sollen nicht erst als Erwachsene lernen, wie wichtig diese Themen sind. Das Institut tritt damit als Berater der Politik und der Bildungsträger auf.
Das ist ein guter Ansatz. Die logische Konsequenz wäre deshalb die Einführung eines entsprechenden Schulfaches Wirtschaft, wie es Institutsdirektorin Carmela Apria zu Recht fordert. Denn das Wissen über ökononomische Fragen hängt nicht nur vom allgemeinen Bildungsgrad ab. Auch Akademiker tun sich oft schwer mit der Wirtschaft und dem leidigen Thema Geld, über das man in Deutschland ohnehin nicht so gerne redet. Früh übt sich, muss also die Devise lauten.
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