Schriesheim. Im Jahre 1980 gab es einen Film mit Marius Müller-Westernhagen in der Titelrolle. Der hieß „Theo gegen den Rest der Welt“. Dieser Titel fiel einem am Mittwochabend unweigerlich ein. Der Grüne Bernd Molitor stand mit seiner Haushaltsrede im Schriesheimer Gemeinderat alleine gegen den Rest der (kommunalpolitischen) Welt. Sieben von acht politischen Gruppierungen im Gremium votierten für den Haushalt und damit gegen die Grüne Liste, ein breites Bündnis von SPD bis AfD. Für die Grünen ein politisches Desaster.
Erneut erwies sich der Erhalt des Status als größte Fraktion bei der Kommunalwahl im letzten Jahr als Pyrrhussieg. Denn ohne Partner ist auch die stärkste Fraktion schwach. All ihre Anträge prallen ab an einer festen Wand der bürgerlichen Mehrheit, in die sich zumeist auch die SPD einreiht. Erst recht, wenn sich Kritik gegen den Bürgermeister richtet. Wie auf Knopfdruck bildet sich dann ein Kordon vor allem aus CDU und Freien Wählern, der nicht zu durchbrechen ist. Die Ablehnung des Haushalts gilt bei ihnen fast schon als Majestätsbeleidigung. Was völlig absurd ist.
Erstmals in seiner dreijährigen Amtszeit überhaupt hat Oeldorf auf politische Kritik reagiert
Dabei machte Molitor eine gute Figur, argumentativ geschickt, auch rhetorisch zunehmend souverän. Deutlich wurde, dass er der zukünftige Mann der Grünen Liste ist. Deren graue Eminenz, Christian Wolf, demnächst 70 und seit unglaublichen 25 Jahren Fraktionschef, ist bei aller Eitelkeit klug genug, ihm schon jetzt zunehmend die notwendige Bühne zu überlassen. Wolf selbst ist für weite Teile des Gremiums ein rotes Tuch, Molitor dagegen im Auftreten umgänglich, empfiehlt sich damit in Schriesheim im Übrigen auch für Höheres, über den Fraktionsvorsitz hinaus.
Bürgermeister Oeldorf zeigt sich kämpferisch wie nie zuvor
Christoph Oeldorf hat diese Gefahr erkannt, erscheint diesbezüglich erwacht. Der Bürgermeister zeigte sich in Topform, so kämpferisch wie nie. Erstmals in seiner dreijährigen Amtszeit überhaupt hat er auf politische Kritik reagiert, die Angriffe der vergangenen Wochen Punkt für Punkt abgearbeitet, ja auseinandergenommen. Und dies in einer langen persönlichen Erklärung erst nach der Abstimmung über den Etat. Taktisch geschickt.
Aber auch sonst war dieser Abend aufschlussreich, erwies sich als Schaulaufen der nächsten Generation. Neben Molitor galt dies für Nadja Lamprecht von den Freien Wählern. Und auch hier ist es ein alter Hase, Fraktionschef Bernd Hegmann, der den Jungen Raum lässt.
Interessant ist das Verhalten des AfD-Stadtrates. Man könnte meinen, ein Repräsentant dieser Partei nutze die Haushaltsrede, um die Themen seiner Partei kommunal runterzubrechen, etwa die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten als angebliche Ursache der Haushaltskrise zu brandmarken, wie sein obskurer Vorgänger Kröber dies zu tun pflegte. Doch nichts dergleichen. Die Thematik Geflüchtete kam in seiner Rede mit keinem einzigen Wort vor. Überhaupt fehlte ihr jede Schärfe.
Das Ziel dieser Strategie ist natürlich klar: Mit ihrem Ja zum Haushalt will sich die AfD einreihen in die bürgerliche Mehrheit, die „Regierungsmehrheit“ hinter dem Bürgermeister. Bei vielen in CDU, Freien Wählern und den kleineren Gruppierungen fällt dies auf fruchtbaren Boden. Bei ihnen gibt es gegen den „Schmitte-Peter“, den „Schriesemer Bu“, schon lange keine Brandmauer.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommunalpolitik Warum die Etatdiskussion in Schriesheim aufschlussreich war
Das Rededuell zwischen Bürgermeister Oeldorf und Grünen-Stadtrat Molitor markiert die Pole der Schriesheimer Kommunalpolitik, findet Redakteur Konstantin Groß.