Unbequeme Realität

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Christine Maisch-Bischof
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Die ZDF-Dokumentation „Zwei Quadratkilometer Stress – Hilfe für einen Stadtteil“ hat in Mannheim Aufsehen erregt. Sicherlich, das Konzept der Serie „37 Grad“ ist so angelegt, dass sie lediglich schlaglichtartig einen Teil des Lebens beleuchtet, den ansonsten niemand sehen möchte. Das ist auch ein ausgesprochen verdienstvoller Anspruch dieser in der Vergangenheit bereits mehrfach preisgekrönten Reihe. Somit haben jetzt bei dieser Folge laut ZDF mehr als zwei Millionen Zuschauer ihr Augenmerk auf die Probleme in Mannheims Stadtteil Neckarstadt-West gerichtet. Dazu zählen Kinderarmut, Prostitution, Mietwucher und Kriminalität. Dass kein Raum für einen Blick auf die durchaus auch schönen und grünen Ecken des Vorortes blieb, liegt an dem Konzept und ist angesichts der Tragweite der Themen auch sicher nicht zwingend nötig.

Doch bei allem Verständnis für Kürze und eine fokussierte Betrachtung: Die Sicht der Stadt kam zu kurz. Der Verwaltung werden Versäumnisse vorgeworfen, aber da sie nicht zu Wort kommt, kann sie zu den Angriffen auch keine Stellung beziehen.

Hilfe für Zuwanderer

Schließlich hat die Stadt seit 2007 Etliches an Hilfe für Zuwanderer und Menschen in Not auf den Weg gebracht. Das reicht beispielsweise vom Quartiermanagement über muttersprachliche Beratung für Zuwanderer, von Schulsozialarbeit, den Ankauf von Problemimmobilien bis hin zu Geld für Integrationsprojekte. Und nicht nur in der Neckarstadt, sondern auch im Norden der Stadt auf der Schönau oder im Süden auf der Hochstätt. So stecken die Stadt und die Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft GBG im Norden in den kommenden zehn Jahren mehr als 130 Millionen Euro in das Projekt „Schönau-Nordwest“. Sie schaffen bezahlbaren Wohnraum und möbeln das Quartier auf.

Dass nicht alle Projekte so fruchten und vor allem nicht so schnell, wie es wünschenswert wäre, das räumen selbst die Leiter und Organisatoren der Hilfsangebote ein. Doch Sätze wie „die Stadt tut nichts“ oder „hier wächst einfach nix zusammen“ – die in der Dokumentation unkommentiert fallen – sind da eher destruktiv.

Ja, die Realität ist manchmal unbequem. Und genauer hinsehen wäre an vielen Stellen wichtig. Aber der Vorwurf der kompletten Untätigkeit frustriert und entmutigt all diejenigen, die sich seit vielen Jahren täglich mit Herzblut, Kraft und Kompetenz für die Hilfesuchenden in den Vororten einsetzen.