Kommentar Schulweg zur Neter-Schule ist kein Ruhmesblatt

Jahrzehntelang gibt es keinen befestigten Weg zur Eugen-Neter-Schule in Mannheim-Blumenau. Für Eva Baumgartner ist es unfassbar, dass es so lange dauert, bis Schüler nicht mehr durchs hohe Gras stapfen müssen

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Eva Baumgartner
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Als die Eugen-Neter-Schule 1966 eingeweiht wird, gehen Menschen mit Behinderung nicht einfach zu Fuß zur Schule. Sie nutzen hierfür nicht mal öffentliche Verkehrsmittel. Fast schon versteckt, im Wald am nördlichen Rand Mannheims, scheint für die Verantwortlichen ein guter Platz für diese „Schule für geistig Behinderte“ zu sein. Dank der Inklusion ist das glücklicherweise heute anders.

Inzwischen heißt die Schule „Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung“, es ist die größte Schule in Baden-Württemberg mit diesem Bildungsgang. Und es gibt seit 2005 eine eigene Bushaltestelle - die jedoch noch heute nur zweimal täglich angefahren wird. Doch es ist damals immerhin ein erster Schritt, den Mädchen und Jungen mehr Selbstständigkeit zu ermöglichen. Sie sollen schließlich das Leben lernen, Spaziergänge in den Stadtteil unternehmen, einkaufen. Das sieht seit 2009 dann auch der Bildungsplan vor: Er will mehr „Lebensweltorientierung“, um die Schülerinnen und Schüler auf das spätere Leben vorzubereiten.

Nur im Gänsemarsch

Doch mit einem Trampelpfad als Verbindung zwischen Stadtteil und Schule ist das bis zuletzt nicht möglich: Die Mädchen und Jungen können noch 2023 nur im Gänsemarsch hintereinanderlaufen - eine Armlänge von der Straße entfernt. Für Rollstuhlfahrer ist der Weg gar nicht nutzbar.

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Schulleiterin Silvia Challal und ihr Vorgänger, Michael Berges, weisen jahrzehntelang unablässig darauf hin, dass der Weg nicht passierbar ist, bringen die Schule immer wieder ins Bewusstsein der Menschen. Und auch für diese Zeitung ist der Fall eine harte Nuss: Als die Redaktion vor fast 15 Jahren erstmals bei der Stadt nachhakt, willigt diese zwar ein, den Weg zu prüfen, stellt dann aber keinen Handlungsbedarf fest. Sie weist darauf hin, dass sie ja für die Beförderung der Kinder und Jugendlichen zahlt. Und argumentiert, dass ja nur ganz wenige Schülerinnen und Schüler den Weg nutzen. Offenbar denkt niemand in der Verwaltung darüber nach, warum das so ist.

Fakt ist: Dieser Weg ist kein Ruhmesblatt, denn die Stadt hat sich viel zu lange Zeit gelassen, dieses Projekt anzugehen. Auch die Parteien verstricken sich über Jahre im Kleinklein, statt gleich gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Erst bei einem Vorort-Termin Ende 2019 erklärt endlich auch die CDU, das Vorhaben im Gemeinderat zu unterstützen, auch die SPD verweist viel zu lange auf wichtigere Projekte.

Proteste auf dem Rad

Doch obwohl der Gemeinderat nach diesem Termin geschlossen für das Vorhaben stimmt, ist die Verwaltung nicht überzeugt: In einer Vorlage im Juli 2020 bezeichnet sie die „kurzfristige Verbindung der Teilstrecke“ zwischen Schule und der Blumenau als „nicht sinnvoll“ - und will das Projekt weitere zehn bis 15 Jahre in den Dornröschenschlaf schicken. Es ist bemerkenswert, dass sich die Schule da noch immer nicht unterkriegen lässt, dass sie sogar einen großen Fahrrad-Protestzug initiiert, der die Stadt offenbar zum Einlenken bringt. Die Freude ist groß, als der Ausschuss für Umwelt und Technik im Oktober 2020 für den Weg stimmt, die Pläne im November 2022 schließlich absegnet und die Arbeiten jetzt laufen. Also Ende gut, alles gut? Mitnichten. Eher: Ende einer wirklich unfassbaren Geschichte.

Redaktion Eva Baumgartner gehört zur Lokalredaktion Mannheim.