Sie hupen minutenlang, dröhnen mit Motoren durch die Quadrate oder liefern sich nächtliche Lautstärke-Duelle, als gehöre die Straße ihnen. Die vielfältige Poser-Szene in Mannheim ist längst nicht mehr nur ein Ärgernis – sie ist Symbol für eine Haltung, die sich nicht nur durch Auspuffanlagen, sondern durch ganze Gesellschaftsbereiche zieht: Wer am lautesten ist, setzt sich durch. Wer sich gestört fühlt, gilt als empfindlich.
Die Innenstadt ist aber kein Rummelplatz. Es geht hier nicht nur um subjektives Lärmempfinden, sondern um Nachtruhe, Gesundheit und Lebensqualität. Um Anwohner, die wegen des Lärms frustriert sind. Und um Familien, die nicht mehr lüften können, weil sie fürchten müssen, dass ihre Kinder durch das nächste Hupkonzert geweckt werden.
Dass Stadt und Polizei regelmäßig kontrollieren, ist deshalb vollkommen richtig – aber reicht offenbar nicht. Die Kontrollen jedenfalls schrecken nicht genug Poser davon ab, schon morgen wieder zu heizen, zu hupen, zu feiern. Und die Videokampagne? Gut gemeint, aber zu harmlos.
Es geht auch um die Frage, wie wir Stadt gemeinsam denken. Als Bühne für die Lautesten? Oder als Lebensraum für alle?
Was fehlt, ist Entschlossenheit. Wer die Quadrate als Wohnort ernst nimmt, muss sie schützen – mit flexiblen Verkehrslenkungen und klaren Botschaften, die durchgesetzt werden. Natürlich muss dabei neben den Anwohnern vor allem auch die Gastronomie als relevanter Akteur in der Zeit nach 20 Uhr mitgenommen werden. Andererseits: Die Außengastronomie dürfte davon profitieren, wenn weder Poser noch Hupkonzerte laue Sommerabende stören.
Poser müssen das Gefühl bekommen, dass sie nicht erwünscht sind. Nicht, weil Menschen als Hobby an Autos herumschrauben und mit ihren Autos fahren. Dagegen ist nichts einzuwenden. Sie sind nicht erwünscht, weil zu viele schwarze Schafe der Szene andere Menschen vorsätzlich stören.
Dabei steht längst nicht mehr nur Lärm im Raum. Viele glauben der Stadt nicht mehr, dass sie das Problem in den Griff bekommt. Wer jahrelang auf nachhaltige Maßnahmen hofft, verliert irgendwann das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Verwaltung. Eine gefährliche Entwicklung. Denn wenn Politik und Verwaltung bei so alltäglichen Problem wie nächtlichem Lärm keine wirksameren Lösungen finden, wie glaubwürdig ist ihr Gestaltungsanspruch dann bei größeren Herausforderungen?
Am Ende steht deshalb mehr auf dem Spiel als ein bisschen Ruhe: Es geht auch um die Frage, wie wir Stadt gemeinsam denken. Als Bühne für die Lautesten? Oder als Lebensraum für alle?
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Poser in Mannheimer Innenstadt: Wenn Rücksicht zur Nebensache wird
Seit vielen Jahren sind Poser in Mannheim ein Ärgernis. Der Frust bei gestörten Anwohnern wird immer größer. Das ist ein Problem für die ganze Gesellschaft, kommentiert Sebastian Koch.