Kommentar Niederschwellige Alkoholsucht-Hilfsprogramme: Sowas von bitter nötig!

Wer ist eigentlich toxisch, die Gesellschaft oder der Alkohol? Beide, findet Lea Seethaler. Und die fatalste Frage unserer Zeit "Alles gut?" macht, dass sich eigentlich niemand richtig kümmert. Doch es gibt Hilfe.

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Lea Seethaler
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Alkohol ist überall. Und so richtig fällt mir das erst auf, seit ich mich mit dem Thema beschäftige. Er ist in meinem aktuellen Lieblingssong, auf dem Profilbild meiner Freunde, im Supermarkt, am Esstisch und im TV. Er ist, und die lese ich neuerdings irgendwie auch anders, in den etwa zehn Polizeitickern der letzten Tage, die von alkoholisierten Frauen mit teils 2,3 Promille am Steuer handeln.

Nein, ich leide nicht nur an einer Frequenzillusion. Dass Alkohol überall ist, sagt so viel aus. Er ist Kulturgut in einer Gesellschaft, in der Bierpong genauso Volkssport ist wie Fußball. Statistisch gesehen bedeutet das auch, dass es eine Menge Leute um Sie und mich gibt, die bereits alkoholkrank sind. Und es nicht wissen. Oder wissen und es verstecken. Wegen des Stigmas. Hier kommen die Frauen ins Spiel. Die Meisterinnen stillen Leidens.

Dass Alkohol so beliebt und akzeptiert ist, liegt auch daran, dass er der vermeintlich einfachste Problemlöser ist. Und Probleme haben Frauen 2023 eine Menge.

Dass Alkohol so beliebt und akzeptiert ist, liegt auch daran, dass er der vermeintlich einfachste Problemlöser ist. Und Probleme haben Frauen 2023 eine Menge. Doppelbelastung, Gewalt, wer regelmäßig Zeitung liest, weiß, was los ist. Die Sucht ist eine Krankheit, aber neben biologischen Faktoren bedingen sie auch soziale mit.

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Gut, dass die Spiegel Bestseller-Autorin Nathalie Stüben ihre Popularität nutzt, um das Thema Frauen und Abhängigkeit mit dem ZI zu erforschen. Sie ist kein abstrakter Flyer, gibt dem Tabu-Thema ein Gesicht. So nötig. Denn Studien zeigen: Die Zahl derer, die Komatrinken, steigt genauso wie die derjenigen, die gar nichts trinken. Ein Abbild unserer Gesellschaft der Extreme. Mit Massen-Influencern, die in Echokammern Lifestyles vorleben und (jungen) Menschen, die es als Ersatzreligion nachleben. Partylöwe oder Gesundheitscoach. Fakt ist: Ein Teil verliert.

Gut, dass Stüben auch gleich niederschwellige Online-Angebote zur Hilfe für von Sucht Betroffene im Gepäck hat. Genau das Richtige beim stets im Vorbeirauschen gefragten „Alles gut?“, der fatalsten Frage unserer Zeit. Die nur dazu dient, den Fragesteller zu befriedigen, und keine tabuisierten Probleme ernsthaft anzuhören - oder geschweige denn zu helfen.

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion