Den Vergleich mag man als unfair empfinden. Aber er drängt sich auf. Wer es nicht glaubt: Einfach „Parteitag unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ googeln, da stößt man fast nur auf die AfD. In Mannheim finden sich nun schon zum zweiten Mal in diesem Jahr unrühmliche Nachahmer. Erst waren es Anfang Februar die Grünen, die ihren OB-Kandidaten Raymond Fojkar auf einer Mitgliederversammlung hinter verschlossenen Türen präsentierten. Bei der SPD ist es nun ein Kreisparteitag zur Wahlnachlese, bei dem die Presse nicht zugelassen wird. Das zeugt von einem sehr merkwürdigen Demokratieverständnis.
Dass die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, ist angeblich ein „Wunsch seitens der Ortsvereine“. Wenn dem so ist, hätte ihnen die Parteiführung klar sagen müssen: „Leute, das können wir nicht machen!“
Jetzt bitte nicht mit dem Einwand kommen, man könne sich doch eher ehrlich die Meinung sagen, wenn das am nächsten Tag nicht in der Zeitung stehe. So darf ein Kaninchenzüchterverein argumentieren. Parteien dagegen haben den grundgesetzlichen Auftrag, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Diesem Ziel dienen auch öffentliche Parteitage. Und zur Demokratie gehört der Diskurs.
Ehrliche Aufarbeitung angesagt
Schlimm genug, dass Parteitage vor Wahlen zu reinen Jubelveranstaltungen verkommen sind, auf denen nichts und niemand die Geschlossenheit trüben soll. Aber nach Wahlniederlagen ist ehrliche Aufarbeitung angesagt.
Die SPD-Spitze hat ihre Sicht in der Einladung an die Mitglieder vorgegeben: „toller Kandidat“ Thorsten Riehle, „grandiose Aufholjagd“, leider nicht ganz gereicht. Klar, kann man so sehen. Aber es ist auch denkbar, dass der eine oder die andere Delegierte eine abweichende Ansicht hat. Und selbst wer alle drei Prämissen teilt, sieht womöglich andere Punkte kritisch. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu wissen, wie das innerparteiliche Meinungsbild ist und wessen Argumente überzeugender sind.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheimer SPD-Spitze zeigt merkwürdiges Demokratieverständnis
Steffen Mack wundert sich über den geplanten Ausschluss der Öffentlichkeit beim Kreisparteitag der Mannheimer SPD. So etwas kennt er sonst eigentlich nur von der AfD