Kommentar Heidelberg: Warum der Frühling mal wieder improvisieren muss

Intendant Thorsten Schmidt wird wohl mit dem Heidelberger Frühling auch 2025 nicht in die Heidelberger Stadthalle gehen können. An Ausweichspielstätten bietet sich nur noch das Heidelberg Congress Centrum an...

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Stefan M. Dettlinger
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In der Haut von Thorsten Schmidt möchte derzeit wohl niemand stecken. Gerade ist der Stress des Heidelberger Frühling Musikfestival zu Ende gegangen – super erfolgreich, wie der Intendant diese Woche selbst noch stolz sagte – da muss er sich schon wieder ums nächste Thema kümmern: Wo 2025 spielen? Es sagt zwar niemand laut, aber aus vielen (gut unterrichteten) Kreisen ist zu vernehmen, dass es mit der Stadthalle auch 2025 kaum klappen wird. Die Stadt schweigt auf Anfrage wie ein Buch. Und die Universität, die ja seit Jahren Festivalzentrum ist, hatte von Beginn an klar gemacht, dass über 2024 hinaus dort keine Konzerte mehr stattfinden sollen. Eigentlich. Man führt wohl dennoch Gespräche.

Bliebe momentan nur noch der Lichtblick Heidelberg Congress Centrum in der Bahnstadt, mit dem, nach eigenen Aussagen, in puristischer Architektur neue Maßstäbe gesetzt werden. Zu diesen Maßstäben gehört wohl auch, dass die Heidelberger dort zwar einen Saal für 1800 Personen hineingebaut haben, aber, man fasst es kaum, nur zum Reden und Debattieren. In den Sommermonaten muss Saal 1 nun noch mit elektroakustischer Technik aufgemotzt und konzerttauglich gemacht werden. Das macht dann, so bestätigt Schmidt, zumindest mal eine (sinfonische) Spielstätte für Baden-Württembergs größtes Klassikfestival.

Und dann erfordert die Sache wohl wieder mal, was in der Klassik nicht besonders verbreitet ist: Improvisationstalent. Da ist der Frühling mit Schmidt und seiner Festivalgang aber besser aufgestellt als alle Weltstars zusammen. Das beweisen die „Frühlinger“ seit Pandemie und Sanierungsbeginn an den Neckarstaden. Man darf sich entspannt zurücklehnen – und gespannt sein.

Dass das Festival seit Sanierung keine Publikumszahlen mehr rausgibt, muss man nicht gut finden – genauso wenig wie den ersten monografischen Schwerpunkt Brahms. Aber in Heidelberg würde man Schmidt alles verzeihen – selbst wenn er Stockhausen ins Zentrum rücken würde. Er ist und bleibt eben Everybody’s Darling.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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