Kommentar Gegen Ausgrenzung und Diskriminierung braucht es Mut

Jörg Quoos findet: Homosexuelle verdienen mehr echte Solidarität und weniger Symbole

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Jörg Quoos
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Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht – diese alte Volksweisheit beschreibt perfekt den Streit um die Illuminierung der Münchner Fußballarena in Regenbogenfarben, die für viele schwule, lesbische und diverse Menschen für Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung stehen. Aus der Idee des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter ist mittlerweile ein Politikum geworden, das Regierungschefs, den Bundesaußenminister und die EU-Kommissionspräsidentin beschäftigt. Hat das den Betroffenen geholfen? Im Ergebnis eher nicht.

Um Freiheiten der LGBT-Gemeinde (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) durchzusetzen, braucht es viel mehr als eine bunte Stadionbeleuchtung. Es braucht Mut, konsequentes Handeln und Empathie für die Rechte von Schwulen, Lesben und Diversen. Die Idee des Oberbürgermeisters, ein Zeichen der Solidarität mit Homo–sexuellen in Ungarn zu setzen, war im Grundsatz gut.

Die geplante Aktion krankte aber daran, dass die UEFA als Veranstalter des Fußballabends der völlig falsche Absender für diese Botschaft der Toleranz gewesen wäre.

Die FIFA – der Dachverband – richtet schließlich eine Fußballweltmeisterschaft im Emirat Katar aus, wo Homosexuelle unter drakonischen Strafen leiden und ins Gefängnis kommen. Der damalige FIFA-Chef Sepp Blatter hatte homosexuellen Fußballfans allen Ernstes geraten, auf Sex im Gastgeberland zu verzichten. Wer wird also in Katar 2022 die Homosexuellen unterstützen? Wird Manuel Neuer auch dort den Mut haben, die Kapitänsbinde in den Regenbogenfarben tragen? Wichtig wäre es.

Und auf der digitalen Seitenbande der UEFA-Spielstätte München läuft während der EM Werbung der katarischen Fluglinie. Sie spült der UEFA Millionen in die Kassen. Außen der Regenbogen und innen im Stadion Werbung für den Staatskonzern eines schwulenfeindliches Regimes? Viel mehr Heuchelei und Unglaubwürdigkeit wäre an diesem Ort nicht möglich gewesen.

Wenn jetzt andere als die UEFA ein Zeichen setzen, ist das erfreulich. Allerdings nur mit „Licht an“ ist es aber nicht getan. Solidarität mit Schwulen und Lesben muss jeden Tag aufs Neue erkämpft werden. Wenn man es wirklich ernst damit meint, muss man auch bereit sein, negative Konsequenzen auszuhalten.

Wenn man irgendetwas Gutes an diesem Streit um die Illuminierung der Münchner Fußballarena finden will, dann ist es sicher das gestiegene Bewusstsein für die Rechte der LGBT-Gemeinde in Deutschland und dem Rest der Welt.

Obwohl ihre Vertreter in der öffentlichen Debatte durchaus durchdringen, erleben viele Homo- und Transsexuelle im Alltag noch Diskriminierung und Ausgrenzung – besonders oft übrigens im Umfeld des Fußballs, das gibt der Stadiondebatte eine besondere Note. Es spricht Bände, dass kein aktiver männlicher Bundesligaprofi sich bisher geoutet hat.

Angst vor Ausgrenzung und Diskriminierung ist auch in einem liberalen Land wie der Bundesrepublik noch immer allgegenwärtig. Sie beginnt beim abschätzigen Blick, geht über den blöden Schwulenwitz oder Lesben-Witz bis hin zu der tödlichen Messerattacke wie vergangenes Jahr auf ein homosexuelles Touristenpaar in Dresden. Allen, die davon immer noch betroffen sind, hilft man viel mehr mit konkretem Handeln und weniger mit Symbolaktionen, denen oft die innere Überzeugung fehlt.

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