Kommentar Fußball-WM in Katar: Turnier der Schande

Die Fußball-WM in Katar stellt den Tiefpunkt des korrupten Treibens im Weltsport dar, meint Alexander Müller. Wirtschaftliche Interessen bleiben wichtiger als das Einstehen für Werte

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Alexander Müller
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Man macht es sich ein wenig zu einfach, die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar als den einen historischen Moment herauszupicken, an dem der Sport seine Unschuld unwiederbringlich verloren hat. Nur zur Erinnerung: Das WM-Turnier vor vier Jahren wurde in Putins Russland ausgetragen, China durfte zuletzt zweimal Olympische Spiele ausrichten, in Katar fanden bereits eine Leichtathletik- und eine Handball-WM statt, die Formel 1 fährt ungeniert in Bahrain, Saudi-Arabien und Abu Dhabi. Die großen Sportverbände opfern ihre Werte schon länger schamlos auf dem Altar des Geldes.

Das ändert nichts daran, dass die Fußball-WM in Katar den Tiefpunkt des korrupten Treibens im Weltsport darstellt. Ein dunkler Fleck der Fußballgeschichte, der nie mehr zu tilgen sein wird. Investigative Recherchen haben in den vergangenen Jahren aufgedeckt, wie die Kataris die mafiösen Strukturen im Weltverband FIFA ausnutzten, das Turnier mit vielen Millionen Euro Bestechungsgeldern kauften und danach die Spuren ihrer Korruption verwischten. Wie danach beim Bau der WM-Stadien die fast rechtlosen Gastarbeiter leiden und sterben mussten. Wie der kleine aber reiche Golfstaat seine wachsende Rolle im Weltsport für politische Ambitionen zu instrumentalisieren versucht. Und wie schlimm es weiterhin um die Situation der Menschenrechte in Katar bestellt ist. Der Titel einer herausragenden ARD-Dokumentation trifft zu: Wir stehen vor einer „WM der Schande“.

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Das ganze Fiasko wäre ein bisschen leichter zu ertragen, wenn das verheerende Echo auf die Skandal-WM am Persischen Golf wenigstens einen Lerneffekt in Gang gesetzt hätte. Das künftig die Vergabe sportlicher Großereignisse an strikte Mindeststandards bei Menschen- und Arbeitsrechten geknüpft wird. Doch auch da muss man leider mehr als skeptisch sein: Das Schweigekartell im Spitzenfußball bröckelt nur langsam, im Grunde ist es egal, woher das Geld kommt. Hauptsache, es fließt. Wirtschaftliche Interessen bleiben weiterhin wichtiger als das Einstehen für die eigenen Werte. Bestes Beispiel: Der FC Bayern beharrt trotz immensen Drucks aus der eigenen Fanszene darauf, seine lukrativen Geschäfte mit Katar fortzusetzen. Und FIFA-Präsident Gianni Infantino schwadroniert im schlimmsten Sekten-Duktus immer noch von der „besten WM aller Zeiten“. Vielleicht hängen diese realitätsfernen Aussagen aber auch damit zusammen, dass der Schweizer seit diesem Jahr einen neuen festen Wohnsitz hat: Infantino lebt nun in Doha, Katar.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB