Wer sich mit dem Thema Frauengesundheit beschäftigt, dem bleibt nur eines. Zu sagen: Es gibt noch viel zu tun. Wie das Robert Koch-Institut in seiner neuesten Veröffentlichung zur Lage der Frauengesundheit in Deutschland mitteilt, existieren „keine belastbaren Daten zu Prävalenzen (Anm. d. Red.: Häufigkeiten) von Menstruationsproblemen und gynäkologischen Entzündungen“, heißt es dort. „Obwohl diese für die Frauengesundheit eine nicht unerhebliche Rolle spielen.“ Das, was also ein nicht unerheblicher Teil der weiblichen Bevölkerung in seinem Leben stets – oder ab und zu – durchmacht, ist schlicht nicht erforscht. Das heißt auch: keine belastbaren Daten – keine gute Therapie und Vorsorge.
Es gibt noch viel zu tun, auch in Hinblick auf die Tabuisierung des weiblichen Körpers und seiner Sexualität, die im Übrigen eng mit seiner Nichtbeachtung in der Forschung zusammenhängt. Denn wie sollen aus etwas Unerforschtem Fakten in ein Schulbuch kommen?
Es gibt noch viel zu tun, an deutschen Universitäten, an denen die studierenden Frauen in der Humanmedizin es nicht auf die Lehrstühle schaffen. Das ist fatal – und gilt nicht nur für die Gynäkologieprofessuren. Denn Frauengesundheit muss interdisziplinär gedacht werden. Das zeigt die jetzt endlich aufkeimende Gendermedizin. Und blickt man zu den fertigen Ärztinnen und Ärzten, sieht es nicht anders aus: Erstere schaffen es um ein Vielfaches seltener in wichtige Leitungs- und Spitzenpositionen. Mit Folgen.
Es gibt noch viel zu tun, in der Prävention und Aufklärung über sexuelle Gewalt, die die Schädigung der psychischen und sexuellen Gesundheit der Frau nach sich zieht. So wie beim sogenannten Stealthing, dem heimlichen Entfernen des Kondoms beim Sex – das wegen der Scham der Opfer oft nicht gesühnt wird. Und dadurch hinter einer Dunkelziffer scheinbar verblasst.
Es gibt noch viel zu tun, damit Bildung und Gesundheitsversorgung arme wie reiche Frauen in Mannheim und im Rest der Republik gleichmäßig erreichen. Und nicht Krankheiten und ungewollte Schwangerschaften entstehen, bis die nächste Krise die sozialen Unterschiede auf bitterste Art ans Licht bringt.
Es gibt noch viel zu tun für Medien und Gesellschaft, Frauen nicht immer nur als schön, jung, gesund und fruchtbar darzustellen – und nur dann wertzuschätzen. Es gibt noch viel für jeden von uns zu tun, damit wir endlich die Selbstbestimmung der Frau, die unser Gegenüber, unser Mitmensch ist, akzeptieren.
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Kommentar Frauengesundheit in Mannheim und Deutschland: Noch viel zu tun