Es wird ernst

Michael Backfisch zur Energiekrise in Deutschland

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Michael Backfisch
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Deutschland läuft auf einen Testfall zu, den sich niemand gewünscht hat. Ab diesem Montag wird die Erdgas-Pipeline Nord Stream 1 zehn Tage lang gewartet. In dieser Zeit fließt kein Gas von Russland nach Deutschland. Doch es kann durchaus sein, dass Moskau den Hahn für immer zudreht – als Vergeltung für die harschen Sanktionen des Westens und die Waffenlieferungen an die Ukraine. Käme es so, würden die Gaspreise für Verbraucher und Unternehmen massiv ansteigen.

Vor diesem Hintergrund malen Vertreter der Bundesregierung düstere Szenarien, die dem einen oder anderen übertrieben erscheinen mögen. Wirtschaftsminister Habeck warnt vor einem „politischen Albtraum-Szenario“ und einer „Zerreißprobe“ für die Gesellschaft. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, mahnt, dass Familien pro Jahr 2000 bis 3000 Euro zusätzlich für Gas hinblättern könnten.

Habeck, Müller und andere wählen drastische Worte, weil sie die Gesellschaft aufrütteln wollen. Dieser Ansatz ist richtig. Die Energiekrise wird ernst. Sie lässt sich aber stemmen, wenn alle an einem Strang ziehen. Das Land braucht einen gewaltigen Kraftakt – und Solidarität mit den Bedürftigen. Wichtig dabei: Es gibt nicht die eine Lösung per Knopfdruck.

Die Politik hat bereits konkrete Signale gesetzt. Der Grünenpolitiker Habeck ist über seinen Schatten gesprungen und wirbt bei den Scheichs in Nahost für zusätzliche Gaslieferungen. Die Bundesregierung, die als Bannerträgerin der ökologischen Transformation angetreten ist, reaktiviert Kohlekraftwerke. Diese sollen Strom erzeugen, damit die Gaskraftwerke zusätzliche Ressourcen für die Auffüllung der Gasspeicher haben.

Wenn die Gesellschaft in der Krise zusammenhält, beweist sie in mehrfacher Hinsicht Stärke. Sie macht Wladimir Putin klar, dass sie einen brutalen Angriffskrieg in Europa nicht duldet. Und sie zeigt mentale und zivilisatorische Kraft. Es wäre die richtige Antwort für den Kremlchef, der den Westen für schwach hält.

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