Kommentar Energiespar-Verordnung ist viel Symbolpolitik

Die Energiespar-Verordnung der Bundesregierung hat etwas von den Regelwerken aus der Corona-Pandemie, meint Christian Schall. Weil nicht alle Einsparpotenziale genutzt werden, ist das nicht mehr als Symbolpolitk

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Christian Schall
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Die Energiespar-Verordnung der Bundesregierung hat etwas von den Regelwerken, die noch bestens aus den schlimmsten Phasen der Corona-Pandemie bekannt sind. Schon der Name ist ein Ungetüm: „Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung“ – ein Kompositum aus 56 Buchstaben. Auf fast 28 Seiten ist dargelegt, was jeder von uns zwischen September und Februar tun und lassen soll, damit wir nicht im Dunkeln oder Kalten sitzen.

Der Staat sollte seinen Bürgern nicht ständig misstrauen. Wegen der stark steigenden Preise für Gas und bald auch für Strom kann er sicher sein, dass die Mehrheit der Bürger und Unternehmen sich bereits jetzt verantwortungsvoll verhält und Energie einspart, wo es nur geht. Auch viele Geschäfte schalten aus diesem Grund schon lange spätestens um 23 Uhr die Schaufensterbeleuchtung aus.

Deshalb braucht es kein bürokratisches Monster wie diese Verordnung. Unabhängig davon hat die Regierung kaum Mittel, um die Vorgaben durchzusetzen. Erst recht nicht, weil viele Paragrafen einigen Interpretationsspielraum lassen und Ausnahmen ermöglichen. Oder will sie eine Energiepolizei ausrücken lassen, die abends durch Wohnviertel zieht und in den Häusern die Raumtemperatur oder die Wassertemperatur der Pools misst? Und wie will sie dann die Abweichler bestrafen? Strom und Gas abstellen?

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Ein Einsparpotenzial ist übrigens vergessen worden. Laut dem Vergleichsportal Check24 verbraucht das Streaming eines zehnminütigen Youtube-Videos so viel Strom wie ein durchschnittlicher Herd in fünf Minuten. Hier könnte etwas Verzicht noch viel mehr bewirken. Solange darüber aber nicht gesprochen wird, ist das Abschalten der Beleuchtung im Schaufenster oder an einem Kulturdenkmal nicht mehr als Symbolpolitik.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion