Die drohende dürftige Beteiligung an den Freiwilligentagen vom 21. bis 30. September ist ein Spiegelbild unserer gesellschaftlichen Herausforderungen. Landauf, landab klagen die Vereine über mangelnden Zulauf. Vorstandsämter bleiben unbesetzt, die Helfer bei Vereinsaktivitäten und Arbeitseinsätzen sind immer dieselben wenigen Menschen. Diese Gruppen bekommen kaum noch Zuwachs.
Das Phänomen hat nun ganz offensichtlich auch die bislang größte gemeinschaftliche Hilfsaktion der Metropolregion Rhein-Neckar erreicht. Auf der einen Seite gibt es so viele angemeldete Projekte wie noch nie, nämlich mehr als 400.
Auf der anderen Seite fehlen helfende Hände zu Hunderten, wenn nicht zu Tausenden. Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem die Metropolregion Aktionen nicht nur an einem einzigen, sondern gleich an zehn Tagen anbietet. Sind die Zeiten vorbei, dass sich 5000 Leute und mehr mobilisieren lassen, mit anzupacken, aufzuräumen und ihr Umfeld zu verschönern?
Hält unsere Gesellschaft noch zusammen?
Der Bedarf an Hilfe ist ganz offenkundig da – und zwar über den 21. September hinaus. Die Hälfte der angemeldeten Projekte soll nach diesem Samstag über die Bühne gehen. Also zählt das Argument nicht, ausgerechnet an diesem Tag unaufschiebbare andere Aufgaben oder Verpflichtungen zu haben. Es ist eine ganze Woche und sogar ein weiteres Wochenende Zeit, in die Hände zu spucken, Schaufeln und Rechen in die Hand zu nehmen, Wände zu weißeln oder mit Senioren Aktivitäten zu unternehmen.
Bürgerschaftliches Engagement sei „der Kleber, der die Gesellschaft zusammenhält“, hat BASF-Manager Uwe Liebelt, in diesem Jahr der Motor der Freiwilligentage, völlig zu Recht angemerkt. Und möglicherweise hat er damit auch den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn der Kleber, der die Gesellschaft zusammenhalten soll, bröckelt ganz offensichtlich und wahrnehmbar. Haben die Menschen nach all den Krisen der vergangenen Jahre keine Lust mehr auf Gemeinschaft? Ziehen sie sich lieber ins Private zurück? Es ist eine verpasste Chance – für mehr Zusammenhalt, mehr Austausch verschiedener Interessen, auch mehr Integration.
Wir sollten es uns alle klarmachen: Ohne bürgerschaftliches Engagement ist es bald vorbei mit unserer liebens- und lebenswerten Gemeinschaft. Wir alle haben es selbst in der Hand, unser Leben, unser Umfeld so lebenswert zu gestalten, wie wir es wollen. Vom 21. bis zum 30. September. Und noch weit darüber hinaus.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Ehrenamtliches Engagement: Wir haben unser Gemeinwesen selbst in der Hand
In der - noch - sehr mäßigen Beteiligung an den Projekten der bevorstehenden Freiwilligentage sieht Bernhard Zinke die Gefahr, dass damit echte Chancen für ein besseres Miteinander verpasst werden.