Energiesparen? Die Politiker geizen nicht mit Tipps. Wirtschaftsminister Robert Habeck duscht kürzer. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält den Waschlappen für eine brauchbare Erfindung. Und das CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble meint, die Leute sollten im Winter halt einen Pullover anziehen. Interessant ist, dass diese Tipps heftige Diskussionen ausgelöst haben. Tenor: Was fällt denen ein, die Bürgerinnen und Bürger zu bevormunden und sich in ihr Privatleben einzumischen. Das ist natürlich schon inhaltlich Blödsinn. In einer Krise kann nicht jeder machen, was er will. Deshalb muss jeder wegen Corona in der Bahn eine Maske tragen. Ratschläge zum Energiesparen sind deshalb nicht übergriffig.
Seltsamerweise – diesen Eindruck erweckte die Bundesnetzagentur in den vergangenen Monaten – hätten die Verbraucherinnen und Verbraucher die Energietipps bisher nicht richtig ernstgenommen, weshalb viel zu wenig Gas eingespart wurde. Ein solches Verhalten wäre vor dem Hintergrund der massiv gestiegenen Energiepreise fast schon irrational. Erst recht, wenn man bedenkt, dass viele Bürgerinnen und Bürger beim Einkauf wegen der hohen Inflation jeden Euro umdrehen und selbst die Latte-Klientel jetzt gelegentlich lieber zum Discounter statt in den Bioladen geht. Nur beim Gasverbrauch soll keine Verhaltensveränderung ablesbar sein?
Die Bundesnetzagentur hat einige ihrer Aussagen inzwischen korrigiert. In den Sommermonaten Juli und August wurde – anders als ursprünglich gemeldet – nicht mehr, sondern weniger Gas verbraucht. Es gibt da jetzt neue Daten. Vergleiche mit 2021 sind aber prinzipiell problematisch, weil die Wetterlagen unterschiedlich sind. Mal war es in einer Woche wärmer und in der anderen kälter als im Vorjahr. Kollegen von ZEIT ONLINE haben jetzt die Verbrauchsdaten der Bundesnetzagentur näher analysiert und auch die Temperaturmessungen hinzugezogen. Demnach lag der Gasverbrauch seit Anfang September stets um etwa 20 Prozent unter dem Niveau, den Vorjahreswerte und Witterung erwarten ließen. Teilweise waren es sogar fast 30 Prozent. Sollte der Winter nicht fürchterlich kalt werden, könnten wir gut durchs Jahr 2023 kommen. Und wer beim Energiesparen mitmacht, hat etwas davon. Der Staat will „nur“ 80 Prozent des Gaspreises deckeln. Für den Rest gilt der volle Marktpreis. Und für Strom gibt es gar keine Kompensation. Deshalb unser Rat: Lesen Sie unsere Energiespartipps. Sie sind viel Geld wert.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die Deutschen sparen doch Gas ein
Die Politiker geizen nicht mit Energiespartipps. Anders als die Bundesnetzangentur anfangs meldete, stoßen diese Appelle bei den Bundesbürgern inzwischen auf ein positives Echo, meint Walter Serif