Mannheim. Zweitausend Menschen, die ohne Abstand oder Masken durch die Innenstadt ziehen; eine Verwaltung, die wie ein zahnloser Tiger wirkt – und Sicherheitskräfte, die präsent sind, denen die Situation aber phasenweise von Minute zu Minute mehr zu entgleiten droht. Das, was sich am Montagabend in der Innenstadt abgespielt hat, wirft ein desaströses Bild auf Mannheim.
Immerhin: Es wurden keine Flaschen geworfen. Bilder, wie sie zuletzt aus anderen Städten kursierten, blieben Mannheim also erspart. Das aber ist bei sechs verletzten Polizistinnen und Polizisten ein nur schwacher Trost, der über den Gesamteindruck nicht hinwegtäuscht: Verantwortliche haben im Vorfeld die Lage falsch eingeschätzt, dagegen bleiben die Bilder eines teilweise überfordert wirkenden Sicherheitsapparats hängen. Ein Desaster an einem Abend, an dem es sowieso nur Verlierer gegeben hat.
Die Zahl von Verletzten unter Demonstrantinnen und Demonstranten ist unklar. Auch, weil Organisatoren, die darüber seriös informieren könnten, unbekannt sind. Womit wir bei einem Kern des Problems sind: Die Menschen, die sich versammelt haben, halten sich nicht an die Spielregeln. Die Demonstration war nicht angemeldet. Dass sich Menschen dennoch in Scharen versammelt haben, zeigt: Die Demonstrantinnen und Demonstranten messen mit zweierlei Maß und drehen sich die Welt so, wie sie ihnen gefällt. Das führt zu dem absurden Bild, dass sie auf der einen Seite dafür demonstrieren, dass Politik und Verwaltung Spielregeln einhalten und sich gleichzeitig auf der anderen Seite genau diesen Spielregeln widersetzen. Das ist paradox. Das ist nicht nachvollziehbar. Das entbehrt jeglicher demokratischen Grundlage – und es gibt momentan wenig Hoffnung, jene selbst ernannten „Spaziergänger“ in absehbarer Zeit wieder in den demokratischen Diskurs integrieren zu können. Im Gegenteil: Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass sich die Szene weiter radikalisiert.
Womit wir beim dritten Verlierer sind: der Demokratie. Natürlich waren die, die am Montagabend durch Mannheim gelaufen sind, bei Weitem nicht die demokratische Mehrheit. Aber auch in der Minderheit waren und sind sie es, die nun im Fokus stehen. Dass die breite, sich etwa an Hygieneregeln haltende Mehrheit nicht gehört wird, ist ein bekannter Fehler des Systems. Die, die diese Mehrheit sind, müssen wieder hörbar und sichtbar werden. Geschieht das nicht, drohen womöglich auch Mannheim noch schlimmere Bilder. Das wäre dann eine Katastrophe.
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