Kommentar Die AfD versprüht ihr Gift mit offenem Visier

Die AfD fährt einen stramm rechten Kurs. Ein Politiker wie Björn Höcke steht deshalb in der Partei nicht mehr am Rand, sondern mittendrin, kommentiert unser Kommentator Walter Serif

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Der Höhenflug der AfD setzt sich fort. Die rechtsextreme Partei behält auch im aktuellen Politbarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen ihren Platz als zweitstärkste Partei in Deutschland, hat aber den Abstand zur SPD und den Grünen vergrößert. Dass die Ampel seit Monaten keine Mehrheit hat, liegt an ihrer eigenen schlechten Performance. Davon profitiert die AfD, nicht aber die Union. Zur Erinnerung: CDU-Chef Friedrich Merz wollte mit seinem konservativen Kurs die Unionsparteien bundesweit auf über 30 Prozent hieven und die AfD halbieren.

Stand heute haben sich seine Versprechungen als reines Wunschdenken erwiesen. Schlimmer ist aber, dass die CDU auch ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Mal behauptet Merz, die Brandmauer zur AfD sei hoch, dann wieder meint er, in der Kommunalpolitik gingen die Uhren anders. Und nimmt das nach heftiger Kritik im eigenen Lager wieder zurück.

Dieses Lager ist natürlich alles andere als einig. Man denke nur an die Christdemokraten im Osten. Dort stehen 2024 drei Landtagswahlen an. Überall liegt die AfD in den Umfragen vorn. Diese Woche ist die Brandmauer schon ein wenig gebröckelt. CDU (und leider auch die FDP) machen im Thüringer Landtag gemeinsame Sache mit der AfD und beschließen die Senkung der Grunderwerbssteuer. Merz hat nichts dagegen. Thüringen? Genau. Dort ließ sich ein FDP-Politiker 2020 mit den Stimmen der AfD und der CDU zum Ministerpräsidenten wählen. Im Amt blieb er nur einen Monat. Aber die damalige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer musste wegen ihres fatalen Krisenmanagements zurücktreten. Merz sollte darüber nachdenken.

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Und auch darüber, warum die Union ihre Aufgabe als Opposition so wenig überzeugend ausübt. Es reicht nicht, wenn sie der Ampel ständig – gelegentlich begründet – deren Versagen vorwirft. Entscheidend ist, dass die Wählerinnen und Wähler der Union nicht zutrauen, es besser als die Regierung machen zu können. Deshalb gehen viele aus Protest lieber zur AfD.

Doch die Rechtspopulisten haben außer Parolen wie „Ausländer raus!“ kein Programm, mit dem sie den Menschen wirklich anbieten könnten, wofür die AfD angeblich steht. Sie ist keine Alternative für Deutschland. Ihre hohen Umfragewerte sind aber ein Gradmesser dafür, wie groß die Angst vor der Zukunft bei vielen Bürgerinnen und Bürgern ist. Eine klare Mehrheit glaubt, dass es mit der Wirtschaft abwärts geht. Fast zwei Drittel der Befragten im Politbarometer meinen, dass es in Deutschland sozial ungerecht zugeht, darunter mehr als 90 Prozent der AfD-Anhänger. Und die fürchten mehr als alle anderen, dass es ihnen persönlich in einem Jahr schlechter gehen wird.

Deshalb kommt es bei ihnen gut an, dass die AfD in der Öffentlichkeit für die „normalen Bürger“ und die „kleinen Leute“ eintritt und sich gegen die „Eliten“ stellt. Wer aber Angst vor der Zukunft hat, muss auch wissen, dass die AfD in Wirklichkeit unser Wohlstandsmodell gefährdet. Nur zwei Beispiele. Fachkräftemangel? Ist auch in den Augen der AfD ein wichtiges Problem. Doch gelöst werden soll es, indem die Deutschen in Arbeit gebracht werden sollen. Also: Zuwanderung, nein danke! Und der älteren Bevölkerung verspricht die AfD ein früheres Renteneintrittsalter und höhere Renten. Bezahlen sollen das die Jungen.

Wer trotzdem AfD wählt, stärkt unabhängig von der eigenen politischen Einstellung eine Partei mit extremer, völkischer Gesinnung. Ihr Gift versprüht die AfD inzwischen mit offenem Visier und rückt immer mehr nach rechts. Björn Höcke steht deshalb nicht mehr am Rand, sondern mittendrin. Jener Politiker, der als „Faschist“ bezeichnet werden darf und sich wegen seines Nazi-Sprechs erneut der Justiz stellen muss.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft